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Paul Poet feat. Alec Empire „My Talk With Florence“ am 18.11.2016 um 20:00 Uhr

Paul Poet feat. Alec Empire „My Talk With Florence“

Ein beeindruckendes Filmdokument über die Geschichte einer Emanzipation. Live-Vertonung von Alec Empire. Im Anschluss artist talk.

ARGE film open mind festival

Zwei Personen. Eine Kamera. Ein Interview. Keine Schnitte. Keine Tricks. „My Talk With Florence“ ist ein minimalistisches Stück Cinéma vérité, das eine der verstörendsten Lebensgeschichten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzählt. Die Geschichte von Florence Burnier-Bauer, ihrer Zeit in Otto Mühls Kommune und ihres hart erkämpften Wegs, Nein zu sagen.
Berlins Meister der intelligenten Electronica, Beat-Aktivist und Punkfloor-Pionier Alec Empire (Atari Teenage Riot) untermalt im Stil seiner frühen Soloklassiker live das Filmscreening.

Florence Burnier-Bauer wurde 1949 in Paris geboren, ein Kind der oberen Mittelschicht mit russischen Wurzeln. Bereits als Kind von ihrem Stief-Großvater, einem Husar des Zaren, ver­gewaltigt und in einem geheimen Männerbund herumgereicht, wurde sie von ihren Eltern in Heimen und mittels Spritzen in einer Nervenheilanstalt ruhiggestellt. Als Teenager flüchtete sie auf die Straße. Getragen vom libertinen Geist der Sixties, führte sie das Leben einer obdachlosen Kriminellen, lebte von Diebstahl, Einbruch und Prostitution und bekam unterwegs drei Kinder. Gesucht von der französischen Polizei, suchte sie Unterschlupf in der österreichischen Kommune „Friedrichshof“ des aktionistischen Künstlers Otto Mühl. Dort erwartete sie eine weitere Hölle.

1989 konnte sich Florence gemeinsam mit Mühls rechter Hand Otmar Bauer aus dem „sozialen Experiment“ loseisen. Ihre Gerichtsaussage war essentiell dafür verantwortlich, dass Mühl in Folge wegen Missbrauchs und Pädophilie zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde.

Es ist ein schonungsloses, aber auch warmherziges Gespräch mit einer Frau darüber, wie sie „trotz allem“ überleben und an Stärke gewinnen konnte. Eine Abrechnung mit Führerkult, mit faschistischen und ausbeuterischen Strukturen. Und ein Zeugnis davon, wie diese Strukturen nach Kriegsende sogar in alternativen Lebensentwürfen weiterleben konnten. Es ist eine filmische Lebensaufarbeitung, die von technischer Seite bewusst puristisch und improvisiert angelegt wurde, der aber eine intensive Vorbereitung unter Einbindung therapeutischer, schauspielerischer und theatralischer Mittel vorweg gegangen ist. Dies, um Florences Erzählungen eine Tiefe und Ehrlichkeit abzugewinnen, wie sie sie zuvor nie versprachlichen konnte. Ein Mittel dazu war dabei die von Otto Mühl perfektionierte Technik der Selbstdarstellung, die hier in direkter Folge gegen diesen selbst verwendet wird.

Im Rahmen des Open Mind Festivals wird der Komponist und Musiker Alec Empire (Atari Teenage Riot, u. a. Producer für Björk, Nine Inch Nails) den Film live im Stil seiner frühen Soloklassiker des Mille-Plateaux-Labels vertonen. Ausdrucksvoll und einfühlsam performt Berlins Gottvater der intelligenten Electronica den Live-Ambient-Score zum Film.
„Der Interview Film als Live-Konzert ... es funktioniert. Durch diese Unverfälschtheit beginnt man zu staunen, zu atmen, zu lachen und ja, auch zu weinen.“ (Nils Rabe, Spex)

„My Talk With Florence“ hat zuletzt den Hauptpreis beim Sydney World Film Festival gewonnen und läuft u. a., nach einem Triumphmarsch durch die europäische Filmfestivalszene, auf den Festivals von Jakarta, Teheran und Haifa im Hauptprogramm.

Regie: Paul Poet, AT 2015, 129 Minuten, OmeU

Paul Poets Interviewfilm zeigt eine faszinierende Frau, die gesehen und gehört werden sollte. Denn solch feinfühlig und respektvoll inszenierte Berichte Betroffener sind es, die einer Gesellschaft helfen, ihr Bewusstsein gegenüber zerstörerischen Machtstrukturen zu hinterfragen.
Sandra Nigischer, Celluloid. Das Filmmagazin
(...) einer der ungewöhnlichsten Filme unserer Zeit.
Nils Rabe, Spex
Mit ‚My Talk with Florence‘ legt Poet nun einen neuen, radikalen Höhepunkt in seinem Werk vor.
Matthias Greuling, Wiener Zeitung
Ein Kleinod von Film – und ein Zeitzeugnis, das an Beklemmung unüberbietbar scheint. ‚My Talk With Florence‘ ist eine Großtat an Zeitzeugenschaft, aber auch eine cineastische Großtat, weil Paul Poet seine Rolle als Filmemacher so extrem reduziert, dass nichts, aber auch gar nichts von Florence Burnier-Bauer und ihrer Erzählung ablenkt.
Otto Friedrich, Die Furche

Paul Poet

als polyglotter Steirer und Punk-Seele groß geworden, gilt als führender politischer Filmemacher Österreichs und als Champion des Genre-Kinos, laut der US-Online-Filmplattform IndieWire. Der studierte Philosoph und Journalist arbeitet als Regisseur und Autor in den Bereichen Kino, TV und Theater sowie als Kulturjournalist und Kurator.
Zu seinen international vielfach ausgezeichneten Kinofilmen, die provokant zwischen Pop und Politics jonglieren, zählen „Ausländer raus! Schlingensiefs Container“ und „Empire Me – Der Staat bin ich!“.