ARGEkultur Salzburg Logo
ARGEkultur auf Facebook ARGEkultur auf Flickr ARGEkultur auf YouTube ARGEkultur auf Instagram
Kritik • 17.10.2008 • Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur

Gewalt und Willkür - ferngesteuert und direkt

Das "Spy Collective" mit der Performance "Waveform" und Helene Weinzierls "cieLaroque" mit der Uraufführung von "habibi problem" am Donnerstag (16.10.) in der ARGE.

Nein, gesundheitsschädlich sei es nicht. Auch nicht schmerzhaft. Wenn man bei einer längeren Performance aber zu schwitzen anfange, leite die Flüssigkeit den Strom quasi in "Gewitterflächen" über den Körper. Im Übrigen könne man mit ihm, wenn auch nicht Deutsch, so doch Tirolerisch reden: "Es halt eine englische Produktion." Schon beim Pressegespräch wollte man nicht glauben, dass in "Waveform" ein Tänzer tatsächlich mit Stromstößen "gesteuert" wird. Also Recherche.

Und der Choreograph und Performer Georg Hobmeier bewies nach der Vorstellung, dass tatsächlich Strom fließt, durch die unzähligen Kabel und Elektroden, die er um den Hals gewickelt und an den Armen kleben hat: durch Aufbringen einiger Elektroden auf den Arm der Berichterstatterin. Es kribbelt stark, schmerzt tatsächlich nicht, und auch dieser Arm macht unkontrollierbare Bewegungen ...

Es sei eine sehr kleine Szene, die auf der Bühne mit dieser Art Körpereinsatz arbeite, erzählte Georg Hobmeier. Einzelne Extremisten würden die Elektroden nicht nur aufkleben, sondern wie Nadeln unter die Haut stecken - und da sei es schon vorgekommen, dass jemand einen Nerv "durchgeheizt" hat. Die Produktion "Waveform" sei, so Georg Hobmeier, seine Diplom-Arbeit nach dem Studium in Amsterdam gewesen.

Was erlebte man also im ARGE Studio? Einen Tänzer, der nicht Herr ist über seine Bewegungen, der kontrolliert wird von einem Vermummten am "Schaltpult" (Henry Vega, Komposition und Kontrolle). Die Strom-Impulse kämen zwar, so Hobmeier, über Computer quasi zusammen mit der Musik, dennoch wirkte es, als ob allein dieser Vermummte die kontrollierende Gewalt über das ausgesetzte Individuum ausübe. Ein kurzes Intermezzo am Teetisch mit verstreutem Zucker und klirrendem Porzellan bekam zwar ein paar Lacher aus dem Publikum, komisch war's aber nicht. Eher beängstigend und - ja durchaus - unangenehm. Als ginge es zu weit, dass ein Körper derart zum bloßen "Material" einer Kunstform gemacht wird. Als sei es Voyeurismus, dabei zuzuschauen, wenn ein anderer die Kontrolle über seinen Körper verliert. Insofern eine spannende aufregende Performance, als sie viele Fragen aufgeworfen und im Raum stehen gelassen hat.

Keine Fragen offen ließ dagegen die Uraufführung von Helene Weinzierls cieLaroque mit der Produktion "habibi problem". Erzählt wird die wahre Geschichte zweier junger Homosexueller aus dem Iran. Dem einen gelang die Flucht ins Asyl, der andere kam ins Gefängnis und wurde hingerichtet - wegen Homoxexualtiät.

Diese unbegreifliche Geschichte von Willkür und Intoleranz hat Choreographin Helene Weinzierl in komplexe artifizielle und dennoch relativ plumpe Bilder umgesetzt: Die ausweglose Situation des Häftlings brachte sie auf die Bühne des ARGE Saals. Die Geschichte des Flüchtigen wurde gleichzeitig auf drei nebeneinander laufenden Filmstreifen erzählt, die immer stärker zum bewegten Comic-Strip wurden. Sehr genau gearbeitet im Austausch zwischen Leinwand und Bühne bis in kleinste Bewegungen und dramaturgische Verläufe der Musik hinein, blieb "habibi problem" dennoch "draußen": erregte - außer der hohen Bereitschaft zum Dechiffrieren des komplexen Bild- und Bewegungs-Materials - kaum innere Beteiligung oder gar Betroffenheit.

© Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur

WWW