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Kritik • 15.06.2009 • Michael Brommer, Salzburger Nachrichten

Drunter lauert Grausames

Kleinkrieg. Gestrandete Kinder kämpfen um die Macht: Das Schauspielhaus Salzburg dramatisiert den Roman "Herr der Fliegen" zeitgemäß.

Kinder, die zu Killern werden - das ist nicht erst seit den Amokläufen in den vergangenen Jahren ein Thema. Schon 1954 schrieb der spätere Nobelpreisträger William Golding seinen Roman "Herr der Fliegen". Das Schauspielhaus Salzburg hat den Klassiker in dramatisierter Form auf die Bühne der ARGEkultur gebracht.

Einen Flugzeugabsturz in der Südsee überleben nur einige Kinder. Sie landen auf einer unbewohnten Insel und müssen sich organisieren, um zu überleben. Ralph, der mehrheitlich gewählte Anführer, kann sich auf Dauer jedoch nicht gegen den impulsiven Jack behaupten, der lieber auf Wildschweinjagd geht, statt das Signalfeuer am Berggipfel zu bewachen oder Hütten gegen den Regen zu bauen. Nach und nach eskaliert das Spiel um Macht. Bald steht Ralph fast alleine da: nur mehr Simon und Piggy gehören noch seinem Lager an. Jack hat alle übrigen auf seine Seite gezogen hat. Als erst Simon (versehentlich) und dann noch Piggy (vorsätzlich) von Jacks Truppe getötet werden, gerät die Situation vollkommen außer Kontrolle.

Schilf aus Plastikstangen, mehrere miteinander verzahnte Podeste, ein Ölfass und fünf Autoreifen - so sieht das polynesische Paradies im ARGE-Saal aus (Ausstattung: Hubert Schwaiger). Regisseur Claus Tröger hat sich auf das zerstörerische Aufeinanderprallen von Vernunft und Vergnügen konzentriert, auf das Ringen zwischen Ich und Es, zivilisierter Kultur und animalischem Treiben.Mädchen im Bubenland Tröger mischt Mädchen unter die bei Golding reine Bubenrunde. Ralphs Gegenspieler heißt Jackie, Piggy heißt Sophie alias Schweinchen Schlau. Ein kluger Einfall, der die Geschichte zeitgemäß macht, ohne ihr etwas zu nehmen. Zudem hat Tröger kurze Verhörsequenzen eingebaut, in denen die Überlebenden zurückblicken - und meist nicht verstehen können, wie das Rauschhafte derart von ihnen Besitz ergreifen konnte. Rauschhafte Bilder, die die bedrohliche, aber auch betörende (Anziehungs-)Kraft einer irrational-archaisch agierenden Gemeinschaft illustrieren, gelingen Tröger dabei öfters.

Maximilian Pfnür spielt Ralph als herrischen Anführer mit Spaß am Befehlen - kein Wunder, dass die guten Gedanken nicht mehr wirken und die Gefolgsleute abhanden kommen. Nevena Lukic lässt ihre Jackie zunächst arg penetrant provozieren, doch als blutgierige Anführerin macht sie überzeugende Figur. Auch wenn manches Detail ohne Kenntnis des Romans unverständlich sein mag, die Botschaft des Stücks transportiert sich bedrückend klar: Zivilisation ist nur eine oberste dünne Schicht, darunter lauert Grausamkeit.

© Michael Brommer, Salzburger Nachrichten

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