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Presse • 23.09.2009 • Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten

Tanzen jenseitsder Komfortzone

Grenzgänge. Als Choreografin reizt Editta Braun das Fremde. Geburtstag feiert sie in Salzburg.

Mit Sibirien verbindet Editta Braun wärmste Erinnerungen. Und das, obwohl gerade der Winter hereinbrach, als sie 2006 mit ihrer Company zum Sib-Altera-Festival reiste. "Wir wurden dort unglaublich freundlich und offenherzig aufgenommen", sagt die Salzburger Choreografin. Unfreiwillig heiß sei es dagegen 2007 in der pakistanischen Stadt Lahore hergegangen: Knapp nach der Abreise der Truppe vom "World Performing Arts Festival" wurde auf dem Gelände ein Bombenanschlag verübt.

Für eine Künstlerin, die gern abseits etablierter Szenen und gewohnter Performance-Orte arbeitet, gehören Grenzerfahrungen zum Alltag. "Aber deshalb mache ich es ja auch", sagt Braun.

Ägypten, Israel, Sibirien, Usbekistan oder Indien: Das Weite zu suchen ist eines der Grundprinzipien in der Arbeit der Choreografin. "Ich finde es spannend, an Orten zu spielen, wo die Leute nicht schon mit Kultur überfüttert sind. Das hat auch mit meinem Selbstverständnis zu tun. Ich sehe mich nicht als Avantgarde-Künstlerin, die da anderen ihre elitäre Arbeit vorsetzt. Ich suche den direkten Kontakt zum Publikum, ich will die Menschen emotional packen."

Die neueste Produktion der Editta Braun Company hat diese Woche Premiere. Nicht in fernen Weltgegenden, sondern in der Salzburger ARGEkultur. Um das Verlassen der Komfortzone geht es aber auch diesmal. Das Stück heißt "Abseits" und behandelt das Thema "Macht der Angst". Die Produktion steht im Zentrum eines Festivals, mit dem der 20. Geburtstag der Company gefeiert wird. "Als Geburtstagsgeschenk an mich selbst" hat die 1958 in Vöcklabruck geborene Choreografin dabei ein neues Arbeitsprinzip ausprobiert. Drei Gastchoreografen hat sie gebeten, Szenen zu erarbeiten, "so wie beim Spiel ,Stille Post': Jeder baut auf der Geschichte des anderen auf - und ich habe die drei Akte mit einer Rahmengeschichte versehen und zu einem Stück verbunden".

Die Vorarbeiten zu dem Festival, einer Ausstellung und einem Buch über ihre Company machten 2009 für Editta Braun auch zu einem Jahr der Rückschau. "Durch das Graben im Archiv kommen viele Erinnerungen hoch", sagt Braun, "und man wird sich bewusst, wie sehr sich die Umwelt, aber auch man selbst verändert hat." Wie sich die Performance-Kunst heute von damals unterscheidet? "In Österreich hatte Mitte der 80er-Jahre der Tanztheater-Boom so richtig begonnen. Damals war der Kanon noch nicht fixiert, es hat weniger ästhetische Tabus gegeben, man konnte machen, was man wollte. Heute ist es im Verhältnis auch schwieriger, Publikum zu gewinnen."

Editta Braun selbst hatte eine Affinität zum Tanzen "angeblich schon, seit ich auf zwei Beinen stehen konnte". Die Leidenschaft fürs Tanztheater sei aber unangekündigt gekommen: "Ich habe eine Performance von Pina Bausch gesehen und war hingerissen. Ich habe nur gewusst: So etwas will ich auch machen - ganz naiv und im Rückblick rührend blauäugig." Das war 1982. Braun, die damals in Salzburg Sport und Germanistik studierte, gründete das Kollektiv "Vorgänge". "Von der Amateur-Sphäre haben wir uns langsam zur Professionalität vorgearbeitet. Als dann schnell erste Erfolge kamen, auch in Frankreich, war mir schnell klar, dass ich nicht mehr aufhören wollte. Das Tanzen wurde wie eine Sucht".

"Irrsinnig glücklich" sei sie bis heute, "dass ich mich an den wichtigen Kreuzungen für diesen Weg entschieden habe." Ob sich im Rückblick das Verhältnis zu den eigenen Arbeiten verändert hat? "Es gibt Stücke, die ich aus heutiger Sicht ganz schrecklich finde, und andere, wo ich mir denke: super, da hat alles gestimmt. So ein Jubiläum bietet ja auch Gelegenheit, Dinge abzuschließen und Platz für Neues zu schaffen."

Andererseits: Die Themen, an denen man sich künstlerisch ein Leben lang abarbeite, blieben stets die gleichen. Wie Editta Brauns Lebensthemen heißen? "Mir geht es um Beziehungen zwischen Menschen. Um das Fremde - die Sehnsucht danach und die Angst davor. Und um den Blick über Grenzen. Wenn man sich in unterschiedlichen Welten bewegt, fördert das die Toleranz. Man bekommt einen liebevolleren Blick auf die Kunst, abseits des europäischen Perfektionismus."

Ein multikultureller Ansatz anderer Art findet sich in der Jubiläumsproduktion "Abseits" durch die verschiedenen Blicke der drei Gastchoreografen: "Die Portugiesin Theresa Ranieri geht von der Frage aus, warum unsere Gesellschaft Horrorfilme braucht. Shlomo Bitton aus Israel erzählt vom Bedürfnis einer Gruppe nach Schutz - er hat in Israel während des Libanon-Kriegs im Bunker geprobt. Und der litauische Regisseur Arturas Valudskis hat extreme Verhörerfahrungen, die er als Deserteur der russischen Armee durchgemacht hat, verarbeitet."

Zum Lebensthema Beziehungen passt hingegen das Geburtstagskonzert des Festivals: Da steht nicht die Choreografin im Mittelpunkt, sondern der Komponist und Multi-Instrumentalist Thierry Zaboitzeff. Musik und Tanz sind für die beiden beruflich und privat eine Einheit: Seit 13 Jahren sind Zaboitzeff und Braun musikalische Partner und Lebensgefährten. Bis es soweit kam, habe es allerdings etwas gedauert - grenzüberschreitende Erfahrungen inklusive: "Als Studentin habe ich die Platten seiner Band Art Zoyd nach einem ihrer Konzerte in Salzburg gekauft. Später haben wir die Musik für ein Stück verwendet. Als das Stück wiederum in Frankreich einen Choreografiepreis bekam, hat das die Band dort im Fernsehen mitbekommen. So kam es zur ersten Begegnung."

© Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten

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