ARGEkultur Salzburg Logo
ARGEkultur auf Facebook ARGEkultur auf Flickr ARGEkultur auf YouTube ARGEkultur auf Instagram
Kritik • 09.12.2009 • Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

Soap&Skin: Volle Wucht im Untergang

Leidende Frau. Anja Plaschg legte am Sonntagabend auf der Bühne der ARGEkultur ihre Verstörung offen und wandelte dabei zwischen Kitsch und Qual.

Vor drei Jahren war Anja Plaschg, die sich Soap & Skin nennt, einfach da. Und sie wurde allseits als Wunderkind gefeiert, sechzehn Jahre alt war sie damals. Mit Laptop und Klavier formulierte die Steirerin düstere Wehklagen. Manchmal drosch sie dazu ein paar Akkorde in die Tasten. Bei manchen Songs reichte ein spärliches Melodiegerüst in Moll, um Schmerz und Leid zu formulieren und das Dasein als einen Rausch der Seelentiefe erscheinen zu lassen. Die Verse kriechen dann aus schwarzer Nacht und einem fahlen Gesicht daher.

Nun hat Anja Plaschg ihr Trübsal musikalisch aufgemotzt - "With Ensemble" steht auf dem Konzertplakat. Eine zweite Sängerin, ein Bläser und eine Streichergruppe erhöhen die Theatralik beim Auftritt in der ARGEkultur in Salzburg am Sonntagabend zum Abschluss des Festivals "Dialoge". Es war die Premiere in dieser Kombination.

Und der Abend schrammte knapp an der Absage vorbei. Beim Soundcheck war eine Leiter umgefallen, genau auf den Platz, wo sonst Anja Plaschg sitzt. Dort lag aber nur ein Laptop. Der konnte ersetzt werden, und das ausverkaufte Konzert konnte mit Verspätung beginnen.

Einige Male ergab die Kombination aus der schüchternen, ja leidenden Musikerin, ihrer Verstärkung und einem aufwändigen Lichtkonzept tatsächlich ein riesiges Gemälde der Verstörung. Freilich fühlt man sich ertappt als Voyeur des Leidens, wenn beim Song "Spiracle" die Bühne in Dunkelheit verschwindet, weil alle Scheinwerfer ins Publikum blenden. Und freilich wird ihr "please help me" zu einem Hilferuf, der sich unter diesen Bedingungen direkt an jemanden wendet. Allerdings bleibt an solch filigranen Punkten im Konzert der schale Geschmack der Überinszenierung, tritt kitschige Übertreibung der Qual in den Vordergrund.Wispern, schreien, hecheln"With Ensemble" bedeutet hier, dass die Songs ihre Unschuld verlieren, die sie hatten, als Anja Plaschg sich allein dem Publikum auslieferte. Es wirkt, als sei der nächste Schritt in ihrer Karriere vor allem damit passiert, dass die Songs mehr Theater- und Filmqualität bekommen sollen. Vieles wird effektvoll aufgemotzt und erinnert in Tonlage und Lichteinsatz an die Schaffung eines Soundtracks - für einen Vampirfilm oder für ein Selbstmorddrama.

Die Kraft von Soap & Skin reicht so immer nur für ein paar Augenblicke, die sich in zwei Gruppen teilen lassen. Da sind jene Songs, bei denen sie ins Klavier versinkt. Dann wispert, schreit und hechelt sie allein gegen die Welt. Und es gibt jene Momente, in denen Sampling und Ensemble ihr beistehen und in Wiederholungsschleifen eindringen ins Hörerhirn, um schließlich als Crescendo des Untergangs zusammenzukrachen. Dieses Konzept ist leicht berechenbar.

Anja Plaschg singt sich das Herz aus dem Leib, legt ihre Verstörungen offen und man möchte gerne leiden mit ihr - und doch wird es zwischendrin fad, wofür das Ab- und Zuwandern des Publikums im Saal als Indiz gelten kann. Und wenn einem fad wird, fallen einem allerlei Leidensfrauen ein, die das auch schon getan haben: Tori Amos und PJ Harvey oder Jolie Holland. Und die Idee, die abgründige Dramatik der Songs mit Streichern zu verstärken, hat in selbiger Art und Weise auch John Cale schon erledigt.

Dennoch bleibt Anja Plaschg, die sich gern unnahbar gibt, außergewöhnlich in ihrem Mut, Bitternis und Verzweiflung auf der Bühne zu formulieren. An diesem Abend aber war sie keineswegs trittsicher auf dem Grat zwischen kitschigem Pathos und aufwühlender Seelenqual, den sie jedes Mal bei der Präsentation ihres Weges durch die Welt der Untergangslieder beschreiten muss.

© Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

WWW