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Kritik • 09.01.2010 • Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

Barfuß mit der Tuba in die Disco

Tanzluft. Wie Blasmusik zum Schwitzen im Club beiträgt: Die Bayern La Brass Banda, an diesen Wochenenden zwei Mal live in Salzburg, machen große Backen und heiße Musik.

Der Boden gibt Halt, obwohl er bebt. Das Publikum tanzt heftig. Und die fünf Herren, die auf der Bühne La Brass Banda sind, wollen das spüren. Ihre Musik löst Wellen der Bewegung aus. Sie spielen barfuß. Kein Schuh stört die Aufnahme der Schwingungen. "Es fühlt sich gut an", sagt Posaunist Manuel Winbeck. Und das gute Gefühl gilt auch beim Blick auf die vergangenen beiden Jahre. La Brass Banda zählen zu den erfolgreichsten Blasmusik-Bands der Gegenwart. Hunderte Konzert zwischen Roskilde und Simbabwe, Erlangen und Russland haben sie seit 2007 gespielt. An diesem Wochenende spielen sie in Salzburg. Zwei Mal. Klar. Das erste Konzert in der ARGEkultur war nach wenigen Tagen ausverkauft- nicht nur wegen des zweifachen Heimvorteils. Die Wurzeln der Band liegen am Chiemsee. Tubist Andreas Hofmair unterrichtet am Mozarteum.

Kirchweih-Techno. Tuba-Funk. Blasmusik. Pop. Mit solchen Bezeichnungen wird versucht, die Partie einzuordnen. Aber wo es keine Grenzen gibt, gibt es auch keine klare Ordnung. La Brass Banda spielen Poptanzmusik mit dem Instrumentarium von Feuerwehrfesten und Musikantenstadl.

Erste gemeinsame Basis war ein Mangel. "Während des Studiums sucht man nach eigenen Ausdrucksmöglichkeiten, die nicht auf dem Lehrplan stehen", sagt Winbeck. Wie Sänger und Trompeter Stefan Dettl stammt er aus Übersee am Chiemsee und begann in der örtlichen Blasmusik. Die Einladung eines DJs machte klar, wonach sie suchten. Sie sollten Balkan Beats live begleiten. Da erkannten sie, "dass wir das auch ohne DJ" schaffen können.

Blasmusik als Bestandteil der Popkultur hat lange Tradition und großen Einfluss. Als Gegensatz zu den weißen Marching Bands entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Süden der USA afroamerikanische Brass Bands. Mit dem Siegeszug der Popmusik gerieten diese Bläserensembles ins Hintertreffen. Eine neue Generation entdeckte in den 80er-Jahren neue Möglichkeiten. Chart-Hits und Rap wurden mit körperlicher Wucht aufgeblasen, karibische Sounds eingebunden. Ein zweiter Strang der aktuellen Belebung der Blasmusik kommt seit Jahren aus dem Südosten Europas und basierte auf dem Erbe der Roma. Das simple Um-pah-um-pah der Bierzelt-Schunkelei wurde verblasen von virtuosen Gruppen wie Karandila oder Fanfare Ciocarlia. Deren unbändige Grooves eroberten durch DJs wie Shantel auch den Dancefloor. Grundprinzip in allen Fällen: die Leidenschaft zur ästhetischen und ethnischen Musikmischung und zum Sampling.

Der Balkan-Hype war für La Brass Banda auch die Eintrittskarte in die Clubs. "Aber freilich sind wir keine Balkanmusiker. Wir sind Bayern und verbiegen uns auch nicht", sagt Winbeck. Was durch die Trichter ihrer Instrumente geht, hat den Klang der heimischen Dorfmusik aber längst gesprengt. Stärkster Verweis auf ihre Herkunft sind noch die Mundarttexte.

"Übersee" heißt das zweite Album, das im vergangenen Herbst erschien. Der Titel bezieht sich auf den Herkunftsort der Bandgründer. Und freilich dient das Wort "Übersee" auch als Verweis auf die Weltläufigkeit der Band. "Unser Folk wurzelt im Pop", sagt Trompeter Stefan Dettl. Sie haben die unsichtbaren Grenzen, denen jeder gegenübersteht, der im ländlichen, künstlerisch bodenständigen Umfeld aufwächst und doch die Musikwelt im Ohr hat, überschritten. Reggae und Funk, Mariachi und Techno-Wumms, das verbindet sich hier mit Schmäh und zu dichtem Sound.

Die Songs auf der CD sind nur Durchgangsstationen. Alles entwickelt sich dauernd. Weil zum Proben wenig Zeit bleibt, passiert das auf der Bühne. Was beim Publikum in die Magengrube und von dort in die Beine fährt, entsteht aus der Gesamtheit des Ereignisses. "Es geht nicht darum, den genauen Ton zu treffen, sondern sich voll einzubringen", sagt Winbeck. Ihre Virtuosität lassen die fünf Musiker dabei schleifen. "Ned zvui ausmachn, und wenn doch, dann mach mas spontan anders", lautet ein Credo der Band. Bei anderen Bands passiert das aus Dilettantismus. Bei La Brass Banda kann es passieren, weil die Herren eine solide Ausbildung und blindes Verständnis füreinander haben. Hier wird mit Spaß Ernst gemacht, wenn es darum geht, zum Tanz aufzuspielen.

Und so ist auch das Barfußgehen kein Gag, sondern Überzeugung. So wie auch die Lederhosen, die sie tragen, nicht einer Werbeidee entspringen, sondern einer Not. Bei einer frühen Tournee war im Auto neben den Instrumenten kaum noch Platz. "Also haben wir beim G'wand eing'spart. Und eine Lederhose brauchst halt ned immer waschen", sagt Winbeck.

© Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

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