ARGEkultur Salzburg Logo
ARGEkultur auf Facebook ARGEkultur auf Flickr ARGEkultur auf YouTube ARGEkultur auf Instagram
Kritik • 03.02.2010 • Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten

Heilerfolg mit Telefon-Jazz

Die Szene erinnert an einen peinlichen Casting-Auftritt bei "Deutschland sucht den Superstar": Mit Inbrunst, zu viel Pathos und schlechtem Englisch schmettert die Sängerin die Schnulze "Memories" ins Mikrofon und streicht sich dabei über den vollschlanken, in einen Schlabberpulli verpackten Körper.

Die Manöverkritik kommt aber nicht von einer bösen Jury, sondern von der bissigen Interpretin selbst: Ihre beiden apathisch vor sich hin starrenden Begleiter an Cello und Gitarre sind an allem schuld. Anna Maria Scholz alias Annamateur versucht es mit Psycho-Slang: "Positiv, finde ich, dass . . ." formuliert sie vor, und will die Musiker zu einer Runde Selbsterfahrung vergattern.

Das Spiel mit Peinlichkeiten aller Arten betreibt Annamateur mit Leidenschaft. Dabei wäre die Musik-Kabarettistin, im Unterschied zu den meisten DSDS-Kandidaten, schon eine Klasse für sich, wenn sie tatsächlich bloß singen würde. Doch die studierte Jazzerin aus Dresden wechselt lieber die Rollen. Für ihre Balanceakte zwischen Virtuosität und Ironie hat sie 2009 den "Salzburger Stier" bekommen. Beim Motzart Kabarett Festival stellte sie mit ihren "Außensaitern" am Montag ihr Programm "Bandaufstellung nach B. Hellinger" vor.

Der Titel deutet an, dass die Vorstellung therapeutische Dimensionen annehmen könnte. Und sie beginnt auch so: "Du kannst es auch tanzen, wenn dir danach ist", erklärt sie ihrem Gitarristen. Dann schummeln sich allerdings immer mehr Songs ("Bandmatratze", "Lover Man", "Nabelschau") ins Programm, die man schon beim letzten MotzArt-Auftritt 2009 gehört zu haben glaubt. Das trübt das Vergnügen ein bisschen, macht letztlich aber nichts - schließlich hat der Kabarettabend ohnehin halben Konzertcharakter. Dazwischen testet die Bandchefin die Schamgrenzen ihrer Begleiter, spielt Diva, führt Trennungsgespräche, übt Österreichisch, um Volksnähe zu beweisen ("das ist so kumpelig"), oder berichtet von ihren Jobs als singendes Telegramm und Telefon-Jazz-Anbieterin. Wie war das noch einmal mit dem Programmtitel? Egal. Annamateur und ihre Außensaiter haben vielleicht gar keine Bandaufstellung nötig.

© Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten

WWW