Publiziert im Kunstfehler Dezember
03/Jänner 04
Wenn am 12.12.2003 Schaufeln den Boden im Nonntal umpflügen und eine heiße
Prechristmas-Spatenstich-Feier das alte Kulturgelände erzittern lässt,
geht ein unrühmliches Stück Salzburger Kulturpolitik zu Ende.
Eine Kulturpolitik, die diesen Namen nicht verdient, die noch Gesülztes
für seidene Abendroben bot, als längst klar war, dass nur die Öffnung
des elitären Kulturbegriffs das Überleben ihrer Betriebe sichern kann.
Diese Story ist also verbandelt mit den letzten Zuckungen eines feudalen Kunst-
und Kulturwesens, das im erlebnisorientierten Kulturkonsum seinen vorläufigen
Niedergang erlebt. Wenn auch tumultöse Festspieldemos der Gegenkulturbewegung
die Politik seinerzeit in Atem hielten, so läuft die Deauratisierung heute
über Unternehmungen wie Siemensens Festspiel-Nächte. Jene sind es,
welche ungeniert Besitz vom öffentlichen Raum der Stadt ergreifen und der
Politik demonstrieren, dass sie nichts mehr zu melden hat. Das Diktum von der
Stadt als Bühne führen sie nebenbei zu ungeahnter Banalität.
Paradoxerweise sind es also just diese Sponsoren, die für eine Hand voll
Euros die Trivialisierung der Elitekultur herbeiführen. Keiner darf mehr
das Gefühl haben, dass auf der Bühne etwas passiert, was er nicht
versteht. Weil sie Massenprodukte herstellen, z. B. Medien (D. Kahn), Elektronik
(Siemens), Autos (Audi) oder Nahrungsmittel (Nestlé) dürfen sie
den Geschmack der Masse nie irritieren und einer mit elitärem Kunstverständnis
gerät unter diesen Auspizien zum parasitären Snob.
Für einen Kulturbetrieb wie die ARGEkultur, die ihre Wurzeln in einer Zeit
hat, die so weit zurückliegt, dass man gar nicht mehr glauben kann, dass
sie zur eigenen Identität gehört, ist diese geänderte Situation
konstitutiv. Die Behandlung der ARGE Rainberg/Nonntal durch die Politik lief
stets unter dem Aspekt des Gönnerhaften oder so wie der Papa spendabel
das Geldbörsel aufspringen lässt, um den renitenten Bankert ruhig
zu stellen. Es ist also mithin eine Geschichte der vertanen Chancen. Damit wurde
viel kreatives Potenzial zerstört, zur Verkümmerung oder zur Abwanderung
gezwungen. Das ist die Realität einer Stadt, die saisonal bedingt, zwischen
Weltkulturhauptstadttaumel und rabiatem Provinzialimsus hin und her torkelt.
Kulturgelände neu, wozu?
In den letzten Jahren hat man sich oft daher oft gefragt - ich schließe
mich selbst als letzten aus -, warum und wozu es die ARGE eigentlich noch
gibt: Konzerte laufen im Rockhouse, Raves im cave oder im Stadtwerk und Tanztheater
im Stadtkino. Selbst die Festspiele haben ihr von Füllfederhaltern finanziertes
Young Directors Project. In einer Gesellschaft mit immer mehr jungen Alten
möchte halt keiner mehr alt ausschauen, und derweilen vergreist die ARGE
von einer Meute ehemals bunter Hunde zu einem Häufchen verwaschener Gruppen.
Als daher die ARGE 1998 einen StudentInnenwettbewerb für die Sanierung
des Bestandes ausgeschrieben hat, schien alles den geübten Weg zu gehen,
weil ein Umbau im Hinblick auf den maroden Bestand unsinnig, das Geld für
einen ordentlichen Neubau aber nicht im Sack.
So verging Zeit, und irgendwie hat wohl keiner mehr so richtig das Projekt
gesehen. Mit der Frage der Sanierung eines weiteren Problemstadels, nämlich
der Universitätsbaracken an der Akademiestraße kam allerdings wieder
Bewegung ins Nonntal. Beim Wettbewerb für den Unipark Nonntal war das
Kulturgelände neben Uni, Mozarteum, neuem Sportzentrum dezidiert Bestandteil
des Programms. Das geistig wie formal minimalistische Projekt der Schweizer
Wettbewerbssieger, eine gekonnt-beliebige Verteilung von Bauklötzeln,
statt einer städtebaulichen Vision, nahm den Standort der ARGE am Mühlbacherhofweg
als gegeben: keine wirklich gute Idee. Die im Zuge der Projektentwicklung
aufgegriffene Lage südlich der Jugendherberge bietet hingegen zahlreiche
Vorteile. Die Anbindung an die Stadt mit der geplanten neuen Aufschließung,
die Verminderung der Anrainerproblematik, direkter Konnex zu Bildungseinrichtungen,
Schulen und zur Berchtoldvilla versprechen eine gute Einbindung des neuen
Kulturzentrums im Quartier. Nicht zuletzt kann aber während der gesamten
Bauphase der Kulturbetrieb weiterlaufen.
Zum Projekt
Seit dem Wettbewerb, den Gerhard Kopeinig, damals noch Student, gewonnen hat,
ist also Zeit vergangen, Zeit, in der sich die ARGE verändert hat und
damit das Programm für das Projekt. Der geänderte Standort war dabei
nicht wirklich relevant. Waren im ursprünglichen Konzept z. B. noch jede
Menge Flächen für Tanztheater vorgesehen, so sind diese Räumlichkeiten
jetzt eher zur Marginalie geworden. Gewachsen, und das ist ja auch an der
Container-City rund um die heutige ARGE sichtbar, sind die Medienproduzenten
wie die Radiofabrik, subnet und andere Einrichtungen. Die ARGE hat sich in
Richtung einer Plattform für mehr oder minder fest strukturierte Produzentenclusters
im Off-off-Bereich entwickelt und wird dies vermutlich noch verstärken.
Letztlich konkurriert sie hier mit Modellen wie dem Techno-Z quasi als Startup-Room
für Kulturbetriebe, bzw. allgemein gesprochen, für NGOs und ist
damit Seismograf für neue gesellschaftsrelevante Kultur- und Politikformen.
Die Qualität des Kopeinig'schen Konzepts aus dem Jahr 1998 bestand darin,
kein fix und fertiges Gebäude, sondern eine offene Struktur angeboten
zu haben. Schon damals definierte er eine Struktur aus Boxen, ein Agglomerat,
dem er eine gemeinsame Plattform gab, mit Wegen und Plätzen als Orten
des Austauschs und der Kommunikation im Dazwischen. Diese ondulierende Verknüpfung
von filled und empty spaces ließ sich, weil vom Konzept weder orts-
noch materialgebunden, auch am neuen Standort realisieren. Kopeinig konnte
so seinem Entwurf treu bleiben - irgendwie erstaunlich und gleichzeitig auch
eine bewundernswerte Flexibilität. Er hat sich nie auf ein Form versteift
- etwas, was in der Architektur, vornehm gesprochen, ja hin und wieder vorkommt,
sondern sich offensiv mit den neuen örtlichen Gegebenheiten und Inhalten
identifiziert. Das neue Grundstück mit seinem trapezförmigen Zuschnitt
hat die Grundform des Gebäudes bestimmt. Zudem hat die geringe Fläche
von knapp mehr als 3000 m2 Kleinheit dazu gezwungen, diese möglichst
auszunutzen und dicht zu bebauen. Das bedeutet einerseits, dass im Gebäude
nicht leicht zu bewältigende, weil schwer zu belichtende, Situationen
entstehen, und andererseits musste die ursprüngliche Plattform gefaltet
aufgekantet werden, sprich ein mehrgeschossiger Baukörper entwickelt
werden.
Nachteilig ist momentan sicher das relativ geringe Angebot an Freiflächen,
sodass sich Gastgarten- und Krabbelstubenbenutzer dieselben teilen müssen.
Das Projekt besitzt neben dem Erdgeschoß sowie erstem und zweitem OG
noch einen Keller. Dieses dichte Paket wird über einen harten, urbanen
Eingangsbereich erschlossen. Die piazzaartige Vorzone leitet ins Foyer, dessen
transluzente Begrenzungen zum Vorplatz geöffnet werden können. Dieser
einladende "white cube" verspricht ein heller und freundlicher Empfang
zu werden. Er steht in direkter räumlicher Beziehung zur nach außen
geschlossenen Black Box, dem Herzstück der Anlage mit dem Konzert- und
Theaterraum. Dieser Aktionsraum ist multifunktional verwendbar und wird, was
im aktuellen großen Saal in der Arge längst nicht mehr der Fall
ist, alle raumklimatischen, sicherheits- und schalltechnischen Erfordernisse
eines modernen Veranstaltungsraumes erfüllen.
Im Osten schließen sich die Räumlichkeiten für die Krabbelstube
und gegen Süden die Gastwirtschaft mit dem Garten an.
Das Untergeschoß enthält neben dem kleinen Theaterraum, Probenräume,
Garderoben und Toiletten sowie diverse Nebenräume und Lagerflächen.
In den Obergeschoßen erhalten die zum Teil schon genannten Institutionen
Boxen, die in unterschiedlichen Farben leuchten und als buntes Spiel von räumlich
gestaffelten, zueinander versetzten Farbkörpern erscheinen wird.
Keine feste Fassade also, vielmehr eine beweglich gedachtes Werk, das sich
verändert, das von den Akteuren bearbeitet, geknetet und belebt wird.
Es besitzt keine modisch glatte Haut, kein cooles Outfit, körperlich-plastisch
ist es vom Prinzip - nicht von der Dimension - mit dem Centre Pompidou verwandt.
Den Fraktionen um Heinz Schaden und Johann Padutsch ist zu danken, dass die
ARGE über die Jahre nicht auf der Strecke geblieben ist und diesen Neubau
nun endlich erhält. Mit dieser modernen Produktionsstätte erhalten
die jungen und innovativen Kräfte dieser Stadt eine Heimat. Wenn im Spätsommer
2005 der Betrieb aufgenommen wird, dann wird die Herausforderung an die Manager
des Kulturbetriebs wachsen. Sie werden die Mittel für den Betrieb und
ein attraktives Programm für ein ganz tolles Gebäude gestalten müssen.
Denn was nützt das schönste Festspielhaus, wenn's drin keine Sänger
gibt.