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Presse • 24.12.2003 • Roman Höllbacher, Kunstfehler

The long way home

Publiziert im Kunstfehler Dezember 03/Jänner 04

Wenn am 12.12.2003 Schaufeln den Boden im Nonntal umpflügen und eine heiße Prechristmas-Spatenstich-Feier das alte Kulturgelände erzittern lässt, geht ein unrühmliches Stück Salzburger Kulturpolitik zu Ende.

Eine Kulturpolitik, die diesen Namen nicht verdient, die noch Gesülztes für seidene Abendroben bot, als längst klar war, dass nur die Öffnung des elitären Kulturbegriffs das Überleben ihrer Betriebe sichern kann. Diese Story ist also verbandelt mit den letzten Zuckungen eines feudalen Kunst- und Kulturwesens, das im erlebnisorientierten Kulturkonsum seinen vorläufigen Niedergang erlebt. Wenn auch tumultöse Festspieldemos der Gegenkulturbewegung die Politik seinerzeit in Atem hielten, so läuft die Deauratisierung heute über Unternehmungen wie Siemensens Festspiel-Nächte. Jene sind es, welche ungeniert Besitz vom öffentlichen Raum der Stadt ergreifen und der Politik demonstrieren, dass sie nichts mehr zu melden hat. Das Diktum von der Stadt als Bühne führen sie nebenbei zu ungeahnter Banalität. Paradoxerweise sind es also just diese Sponsoren, die für eine Hand voll Euros die Trivialisierung der Elitekultur herbeiführen. Keiner darf mehr das Gefühl haben, dass auf der Bühne etwas passiert, was er nicht versteht. Weil sie Massenprodukte herstellen, z. B. Medien (D. Kahn), Elektronik (Siemens), Autos (Audi) oder Nahrungsmittel (Nestlé) dürfen sie den Geschmack der Masse nie irritieren und einer mit elitärem Kunstverständnis gerät unter diesen Auspizien zum parasitären Snob.

Für einen Kulturbetrieb wie die ARGEkultur, die ihre Wurzeln in einer Zeit hat, die so weit zurückliegt, dass man gar nicht mehr glauben kann, dass sie zur eigenen Identität gehört, ist diese geänderte Situation konstitutiv. Die Behandlung der ARGE Rainberg/Nonntal durch die Politik lief stets unter dem Aspekt des Gönnerhaften oder so wie der Papa spendabel das Geldbörsel aufspringen lässt, um den renitenten Bankert ruhig zu stellen. Es ist also mithin eine Geschichte der vertanen Chancen. Damit wurde viel kreatives Potenzial zerstört, zur Verkümmerung oder zur Abwanderung gezwungen. Das ist die Realität einer Stadt, die saisonal bedingt, zwischen Weltkulturhauptstadttaumel und rabiatem Provinzialimsus hin und her torkelt.

Kulturgelände neu, wozu?

In den letzten Jahren hat man sich oft daher oft gefragt - ich schließe mich selbst als letzten aus -, warum und wozu es die ARGE eigentlich noch gibt: Konzerte laufen im Rockhouse, Raves im cave oder im Stadtwerk und Tanztheater im Stadtkino. Selbst die Festspiele haben ihr von Füllfederhaltern finanziertes Young Directors Project. In einer Gesellschaft mit immer mehr jungen Alten möchte halt keiner mehr alt ausschauen, und derweilen vergreist die ARGE von einer Meute ehemals bunter Hunde zu einem Häufchen verwaschener Gruppen. Als daher die ARGE 1998 einen StudentInnenwettbewerb für die Sanierung des Bestandes ausgeschrieben hat, schien alles den geübten Weg zu gehen, weil ein Umbau im Hinblick auf den maroden Bestand unsinnig, das Geld für einen ordentlichen Neubau aber nicht im Sack.
So verging Zeit, und irgendwie hat wohl keiner mehr so richtig das Projekt gesehen. Mit der Frage der Sanierung eines weiteren Problemstadels, nämlich der Universitätsbaracken an der Akademiestraße kam allerdings wieder Bewegung ins Nonntal. Beim Wettbewerb für den Unipark Nonntal war das Kulturgelände neben Uni, Mozarteum, neuem Sportzentrum dezidiert Bestandteil des Programms. Das geistig wie formal minimalistische Projekt der Schweizer Wettbewerbssieger, eine gekonnt-beliebige Verteilung von Bauklötzeln, statt einer städtebaulichen Vision, nahm den Standort der ARGE am Mühlbacherhofweg als gegeben: keine wirklich gute Idee. Die im Zuge der Projektentwicklung aufgegriffene Lage südlich der Jugendherberge bietet hingegen zahlreiche Vorteile. Die Anbindung an die Stadt mit der geplanten neuen Aufschließung, die Verminderung der Anrainerproblematik, direkter Konnex zu Bildungseinrichtungen, Schulen und zur Berchtoldvilla versprechen eine gute Einbindung des neuen Kulturzentrums im Quartier. Nicht zuletzt kann aber während der gesamten Bauphase der Kulturbetrieb weiterlaufen.

Zum Projekt

Seit dem Wettbewerb, den Gerhard Kopeinig, damals noch Student, gewonnen hat, ist also Zeit vergangen, Zeit, in der sich die ARGE verändert hat und damit das Programm für das Projekt. Der geänderte Standort war dabei nicht wirklich relevant. Waren im ursprünglichen Konzept z. B. noch jede Menge Flächen für Tanztheater vorgesehen, so sind diese Räumlichkeiten jetzt eher zur Marginalie geworden. Gewachsen, und das ist ja auch an der Container-City rund um die heutige ARGE sichtbar, sind die Medienproduzenten wie die Radiofabrik, subnet und andere Einrichtungen. Die ARGE hat sich in Richtung einer Plattform für mehr oder minder fest strukturierte Produzentenclusters im Off-off-Bereich entwickelt und wird dies vermutlich noch verstärken. Letztlich konkurriert sie hier mit Modellen wie dem Techno-Z quasi als Startup-Room für Kulturbetriebe, bzw. allgemein gesprochen, für NGOs und ist damit Seismograf für neue gesellschaftsrelevante Kultur- und Politikformen.

Die Qualität des Kopeinig'schen Konzepts aus dem Jahr 1998 bestand darin, kein fix und fertiges Gebäude, sondern eine offene Struktur angeboten zu haben. Schon damals definierte er eine Struktur aus Boxen, ein Agglomerat, dem er eine gemeinsame Plattform gab, mit Wegen und Plätzen als Orten des Austauschs und der Kommunikation im Dazwischen. Diese ondulierende Verknüpfung von filled und empty spaces ließ sich, weil vom Konzept weder orts- noch materialgebunden, auch am neuen Standort realisieren. Kopeinig konnte so seinem Entwurf treu bleiben - irgendwie erstaunlich und gleichzeitig auch eine bewundernswerte Flexibilität. Er hat sich nie auf ein Form versteift - etwas, was in der Architektur, vornehm gesprochen, ja hin und wieder vorkommt, sondern sich offensiv mit den neuen örtlichen Gegebenheiten und Inhalten identifiziert. Das neue Grundstück mit seinem trapezförmigen Zuschnitt hat die Grundform des Gebäudes bestimmt. Zudem hat die geringe Fläche von knapp mehr als 3000 m2 Kleinheit dazu gezwungen, diese möglichst auszunutzen und dicht zu bebauen. Das bedeutet einerseits, dass im Gebäude nicht leicht zu bewältigende, weil schwer zu belichtende, Situationen entstehen, und andererseits musste die ursprüngliche Plattform gefaltet aufgekantet werden, sprich ein mehrgeschossiger Baukörper entwickelt werden.

Nachteilig ist momentan sicher das relativ geringe Angebot an Freiflächen, sodass sich Gastgarten- und Krabbelstubenbenutzer dieselben teilen müssen. Das Projekt besitzt neben dem Erdgeschoß sowie erstem und zweitem OG noch einen Keller. Dieses dichte Paket wird über einen harten, urbanen Eingangsbereich erschlossen. Die piazzaartige Vorzone leitet ins Foyer, dessen transluzente Begrenzungen zum Vorplatz geöffnet werden können. Dieser einladende "white cube" verspricht ein heller und freundlicher Empfang zu werden. Er steht in direkter räumlicher Beziehung zur nach außen geschlossenen Black Box, dem Herzstück der Anlage mit dem Konzert- und Theaterraum. Dieser Aktionsraum ist multifunktional verwendbar und wird, was im aktuellen großen Saal in der Arge längst nicht mehr der Fall ist, alle raumklimatischen, sicherheits- und schalltechnischen Erfordernisse eines modernen Veranstaltungsraumes erfüllen.
Im Osten schließen sich die Räumlichkeiten für die Krabbelstube und gegen Süden die Gastwirtschaft mit dem Garten an.
Das Untergeschoß enthält neben dem kleinen Theaterraum, Probenräume, Garderoben und Toiletten sowie diverse Nebenräume und Lagerflächen.
In den Obergeschoßen erhalten die zum Teil schon genannten Institutionen Boxen, die in unterschiedlichen Farben leuchten und als buntes Spiel von räumlich gestaffelten, zueinander versetzten Farbkörpern erscheinen wird.

Keine feste Fassade also, vielmehr eine beweglich gedachtes Werk, das sich verändert, das von den Akteuren bearbeitet, geknetet und belebt wird. Es besitzt keine modisch glatte Haut, kein cooles Outfit, körperlich-plastisch ist es vom Prinzip - nicht von der Dimension - mit dem Centre Pompidou verwandt.

Den Fraktionen um Heinz Schaden und Johann Padutsch ist zu danken, dass die ARGE über die Jahre nicht auf der Strecke geblieben ist und diesen Neubau nun endlich erhält. Mit dieser modernen Produktionsstätte erhalten die jungen und innovativen Kräfte dieser Stadt eine Heimat. Wenn im Spätsommer 2005 der Betrieb aufgenommen wird, dann wird die Herausforderung an die Manager des Kulturbetriebs wachsen. Sie werden die Mittel für den Betrieb und ein attraktives Programm für ein ganz tolles Gebäude gestalten müssen. Denn was nützt das schönste Festspielhaus, wenn's drin keine Sänger gibt.

© Roman Höllbacher, Kunstfehler

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