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Kritik • 22.12.2008 • Oliver Baumann, DrehPunktKultur

Grau als Farbe der Wärme

Zu viel Sonnenschein will Oliver Welter nicht auf seine Songs fallen lassen. Am Freitag (19. 12.) war er zu Gast im Roten Salon der ARGE.

Er wirkt müde und abgekämpft, klammert sich an eine schnelle Zigarette und halbvolle Bierflaschen und doch zählt Oliver Welter, Sänger und Songwriter der Band Naked Lunch, zu den schillernsten Protagonisten der österreichischen Musikszene. Gerade das jüngste Album der Kärntner Formation "This Atom Heart of Ours" (2007) darf getrost zu den Meilensteinen der heimischen Rockgeschichte gezählt werden. Dass die herausragenden Songs dieses und des Vorgängeralbums aber auch ohne seine Mitstreiter funktionieren, schickte sich

Welters tritt bloß mit dem Gitarrenkoffer in der Hand auf - und schon baut sich in der gewohnt gemütlichen, wohnzimmerartigen Atmosphäre im Keller der ARGE greifbare Spannung auf. Eingekleidet in wenige (Leidens-) Geschichten aus dem Leben eines (Kärntner) Pop-Musikers, bietet Welter einen introspektiven Querschnitt durch sein musikalisches Schaffen. Die Songs drehen sich zumeist um Schmerz, Enttäuschung und Verbitterung, wenden sich jedoch ab von Selbstaufgabe und Resignation, mahnen zum Durchhalten und Aneinanderklammern. Beinahe gebetsmühlenartig steht die Wiederholung der Schlüsselzeile am Ende vieler Nummern.

Selbst spricht Welter gerne von "Friedhofsmusik" und betitelt auch die charmant zurückhaltende Coverversion von Ike & Tina Turners Welthit "River Deep, Mountain High" als Begräbnisversion. Zu viel Sonnenschein will der Künstler nicht auf seine Songs fallen lassen. Seine bisweilen unwirsch anmutende Ehrlichkeit prägt den Abend, führt das Ohr des Zuhörers noch tiefer in sene düstere Welt. Und doch spricht die Freude an der Musik und die Freude am Songschreiben aus jedem der dargebotenen Stücke. Der geniale, versöhnliche Hit "Military Of The Heart" - nicht umsonst in der Mitte des Programms postiert - scheint Welter dabei selbst zu weit in Frohmut überzugehen, wenngleich er den Vergleich mit international angesagten Pop-Großverdienern à la Coldplay oder Snow Patrol nicht zu scheuen braucht.

Die Mischung aus pointiertem Text und tief in Moll-Akkorden verankerter Begleitung dringt tief ins Innere der davon gefesselten Zuhörer, die mäuschenstill bis zum Verklingen des letzten Gitarrenschlags aufsaugen, was Welter mit scheinbar letzter Kraft erleidet. Die bisweilen derbe Spiel- und Singart zeugt von der "Echtheit" des Empfundenen. Da drängt sich die Erinnerung an John Cale, den Mitbegründer der New Yorker Kultband Velvet Underground auf, an ein bis an die Schmerzgrenze ausgereiztes musikalisches Darbieten von Gefühlen. Emotion statt Perfektion.

Gegen Mitternacht endet der Ausflug, tauchen Protagonist und Publikum wieder auf aus Welters Seelentiefe und nehmen die Wärme der grau-schattierten Songs mit, die einem das Warten auf Welters nächstes Werk erleichtern wird.

© Oliver Baumann, DrehPunktKultur

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