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Kritik • 01.02.2009 • Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur

Vom Niemandsland des Zwischenraums

Tim Fischer eröffnete das 27. MotzArt Kabarett Festival am Freitag (30.1.) mit einem Georg Kreisler-Liederabend in der ARGEkultur.

Arsen verwendet er heute nicht mehr. Heute ist Plutonium angesagt. Und "Taubenvergiften in Park" (Oh gute Zeit, oh gute Zeit) ist schon lange keine adäquate Unterhaltung für den Menschen der Freizeitgesellschaft mehr: "Unfall im Atomreaktor" wird heute gerne gespielt. Zunächst sterben die Babies (so um 14 Uhr herum), dann vereist die Welt - und Zeugen bleiben auch keine übrig ...

Es kann einem schon ein wenig mulmig werden, wenn Großmeister Georg Kreisler quasi durch den Mund seines Jüngers Tim Fischer abrechnet mit der Welt. Gnadenlos.

"Kabarettistische Liederabende sind eine heikle Angelegenheit", schreibt Georg Kreisler, der für Tim Fischer den Lieder- und Poesie-Abend "Gnadenlose Abrechnung" zusammengestellt hat: "Man soll Erfahrung haben und gleichzeitig jung sein. Tim Fischer ist einer der ganz wenigen, bei denen das zutrifft."

Georg Kreisler hat recht. Tim Fischer ist grandios: Er ist ein wandlungsfähiger Entertainer von tierisch ernster und naiver Grundhaltung der Gesichtszüge, und ein technisch brillanter Sänger. Wenn Tim Fischer, ganz deutscher Mann, singt "Ich bin Referent von Beruf, verachte jede Frau von Beruf ..." hat das eine ganz eigene Klangfarbe. Und doch hat man, auch wegen der gleichen sprachlichen Virtuosität, Georg Kreisler irgendwie immer mit im Ohr und im Blick. Und das ist ein großes Kompliment.

Begleitet wurde Tim Fischer vom Pianisten Rüdiger Mühleisen, je nach Erfordernis mit Schlagkraft oder Poesie. Sogar das "Idyll am grünen Bach" schien da Realität zu werden. Aber nur, bis die Luft aus dem Ballon saust, und man "fällt wie ein Blatt in die Schlucht des Verzichts": Nix ist es mit Gazellen, die Debussy oder Mozart bellen. Und auch die ganz private Erinnerung an den Neger (ein Wort, das selbst ein Kreisler heute nicht mehr singen dürfte) der auf der Flöte Palestrina spielt, verblasst "wie der Anfang eines Traums".

Aber dafür haben wir den Euro. Und Europa. Mit beiden hadern Fischer/Kreisler ganz beträchtlich. Und wir sind auch nicht amused, wenn wir auf den Petersdom verzichten sollen oder dort, wo heut der Louvre steht, der Wein wachsen wird.

Beziehungen sind auch so eine Sache. Am glimpflichsten ausgegangen ist ja noch die mit der Tochter des Fliegergenerals (Sie erinnern sich: "Sie hatte Grübchen und ihr Name war Sieglinde"), auch wenn deren Busen den Verliebten immer mehr an Bomben erinnerte. Natürlich fragt man sich allen Ernstes, ob ein grandioser junger Kabarettist - wenn auch im Namen eines grandiosen alten Kabarettisten - so sexistisch sein darf. Aber das Lied ist gut.

Schlimm wird's ja ohnehin erst, wenn eine "große Liebe in einer großen Ehe" endet: "Frühstück." "Zeitung". "Dich". Das reicht für den Hintergrund zu quälenden Szenen (in der Ecke schläft ein unbekanntes Kind) einer Ehe. "Sehnsüchtig sabbernd sage ich dir Dank. Lebens lässt sich's schön, aber leider auch zu lang ..." Da wird einem kalt. Und das Lachen bliebe im Halse stecken - folgte nicht auf die deutsche Tragödie das jüdische Satyrspiel (und Judenwitze darf er, weil der Kreisler ist selbst ein Jude).

Fehlt nur noch der Politiker: "Botan-íker", "Alkol-íker", "Philharmon-ker" und andere werden untersucht und für gut und wichtig (oder zumindest für notwendig) befunden. "Aber welcher -tíker ist der Poli-tíker? Woher kommt er und was will er von der Welt?"

Da hat nichteinmal ein Georg Kreisler eine Antwort - obwohl sein Mund Tim Fischer sie unverfälscht, dabei neu gewürzt, weitertragen würde.

© Heidemarie Klabacher, DrehPunktKultur

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