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Kritik • 08.02.2009 • Horst Reischenböck, DrehPunktKultur

Sex und Kriminal in der Heimat

Michael Quast und Ottfried Fischer begeisterten zum Abschluss des MotzArt-Festivals zum Wochenende (7./8. 2.) in der ARGE.

"Urgesteine" ziehen immer. Vor 25 Jahren gastierte Ottfried Fischer zum ersten Mal bei der MotzArt-Woche. Sein diesjähriger Auftritt mit neuem Programm als Österreich-Premiere, war schon lange im Voraus ausverkauft.

Heimat ist dort, "wo meine Sonne scheint". Die Textzeile entstammt einem 1957 von Caterina Valente, im englischen Original durch Harry Belafonte gesungenen Schlager. Damals, "da war die Heimat noch grün ohne Grüne." Die darin angesprochene "braune Hütte" war und wäre aber auch schon wieder politisch. Heute allerdings sei das anders: Heimat ist entweder links oder rechts. Alles andere ist Mitte und daher auch rechts. Oder wie man in Bayern zu sagen pflegt: "Mir san mir und schreiben uns uns" -- was Fischer zum besseren Verständnis unserer unmittelbaren Nachbarn eben einmal gesagt haben wollte. Auch, was beispielsweise Kennzeichen einer Heimatzeitung ist: "Da sagen einem die Todesanzeigen etwas!" Oder die Nachrichten über Veteranenvereine, bei denen "nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht."

Seit Adam und Eva also sucht die Menschheit Heimat. Im Paradies muss es ja ziemlich langweilig gewesen sein, so wie in den neuen Bundesländern, aus denen auch die Bewohner fliehen. Überhaupt befänden sich derzeit zweihundert Millionen Menschen auf der Flucht, die Holländer im Sommer noch gar nicht eingerechnet. Gelegentlich nahm Fischer Zuflucht bei Plato und Aristoteles und ließ "wiki patria" als virtuelles Heimatmuseum, in das er sich einklinke, vor dem geistigen Auge des Publikums erstehen. Die EU blieb genauso wenig ungeschoren wie RK, gemeint römisch katholisch oder Ratzinger Kirche: "Wer nicht glaubt, muss dran glauben!"

Als urtypischer Bayer, sprich eben ein "g'standenes Mannsbild" (als "Preiß" wäre das hingegen "eine fette Sau") nuschelte Fischer für ihn charakteristisch ab und zu in solch mörderischem Tempo seine Wortkaskaden hinter dem Tisch auf der Bühne hervor, dass das Aufnahmevermögen an Grenzen gelangte. Manche Pointen verpufften allerdings auch deshalb, weil sie politisch absolut bundesdeutsch orientiert sind.

Was virtuose Sprechtechnik wirklich sein kann, hatte am Abend zuvor Michael Quast eindrucksvoll bewiesen. Schon einmal mit "Don Giovanni à tre" zu Gast, im Vorjahr auch zu Festspiel-Beginn mit Offenbachs "Blaubart" im Haus für Mozart, widmete er sich diesmal "Sex & Crime". Balladen, noch vor vierzig Jahren in Bücherregalen anzufinden, für frühere Jahrhunderte schauerliche Gruselschocker oder auch Schmalzmonzetten, die heute das Fernsehen als Soap-Operas liefert. Eigentlich also keine Comedy, sondern ein Programm, das wirklich an Intellekt appellierend auch auf ein anderes (leider aber weniger zahlreich erschienenes) Publikum abzielte.

Mitunter in Art eines Melodrams - Lenau/Liszt "Der traurige Mönch" - durch Theodore Quast am Klavier untermalt, faszinierte einmal mehr Quasts variable Stimmführung, mit der in Fontanes "Die Brücke am Tay" die schottischen Hexen charakterisierte oder "Die Totengräber" von Geibel unterschiedlich sprachen. Grandios die ebenso historisch bezogene Bürgersche "Lenore" wie Meyers "Die Füße im Feuer". Schillers "Handschuh" durfte genauso wenig fehlen wie Goethes "Erlkönig" und "Der Totentanz". Selbst Humor, etwa in Buschs "Der gütige Wanderer" oder "Das Abenteuer des Gymnasiallehrers" von Thoma, blieb letztlich nicht ausgespart: Es war schlichtweg umwerfend.

© Horst Reischenböck, DrehPunktKultur

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