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Georg Kreisler

Lesung aus seinem neuen Buch: "Letzte Lieder".

ARGE lesung

„Die Welt ist für mich ein Pulverfass, das zum Ziel hat, mich zu explodieren.“
Georg Kreisler ist ein Phänomen. Er ist nicht nur einer der bekanntesten Kabarettisten und Komponisten unserer Zeit, sondern auch ein Mann, der es in gleich drei Disziplinen zu unerreichter Meisterschaft gebracht hat: Auf Füße zu treten, vor Köpfe zu stoßen und Augen zu öffnen.
Seine bösen Lieder „Tauben vergiften“ (das ihm zu einem wahren Fluch geworden ist), „Zwei alte Tanten tanzen Tango“ oder das im Jahr seiner Entstehung sofort verbotene „Please Shoot Your Husband“ haben sein Publikum stets ebenso erschreckt wie erfreut und sich längst als zeitlose Klassiker entpuppt, deren bissiger Witz nach wie vor seinesgleichen sucht.
So wird es nicht verwundern, dass Georg Kreislers „Letzte Lieder“ keine versöhnlichen Gesänge beinhalten, sondern Paukenschläge. Wer es sich mit einer biederen Lebensbeschreibung gemütlich machen will, ist hier falsch. Denn Georg Kreisler legt eine furiose, autobiografisch fundierte Abrechnung vor: Mit bürgerlichem Kleingeist, nationalistischem Größenwahn, der Stadt Berlin, dem Staat Österreich und schließlich dem ganzen letzten Jahrhundert.

Der Autor

Georg Kreisler wurde 1922 in Wien geboren. Die Kindheit in seinem jüdischen Elternhaus war überschattet von Ausgrenzung und Antisemitismus. 1938 emigrierte er mit seinen Eltern in die USA, wo er in die Army eingezogen wurde. 1955 kehrte Georg Kreisler nach Europa zurück. Neben über 500 Liedern schrieb er Romane, Essays, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Opern. Georg Kreisler lebt heute mit seiner dritten Ehefrau Barbara Peters in Salzburg.

Georg Kreisler
Letzte Lieder
Autobiografie
Originalausgabe
160 Seiten. Gebunden
ISBN 978-3-7160-22613-7
Arche Literatur Verlag
Zürich-Hamburg

Interview

„Es reizt mich niemand zum Lachen“, 14.10.2009, Der Standard
Georg Kreisler zu Gast in Wien.

Standard: Sie sind bekanntlich nicht leicht zu unterhalten. Welche Komiker finden Sie gut?

Kreisler: Also im Fernsehen weiß ich keinen. Harpe Kerkeling soll komisch sein, aber ich lache nicht über ihn. Es reizt mich niemand zum Lachen.

Standard: Wirklich keiner?

Kreisler: Im Fernsehen haben es Komiker halt schwer. Denn man misstraut ihnen. Die machen Witze – und man weiß nicht genau, über was, und das ist dann vielleicht nicht richtig. Und dann kriegen die Ärger mit dem Produktionsleiter und der dann mit einem Politiker. Ich habe einmal eine Wette gemacht mit dem Intendanten des Südwestfunks, der behauptet hat: „Bei mir können Sie alles bringen!“ Und dann habe ich natürlich eine Kiste Wein gewonnen. Mein Lied wurde nämlich nicht gesendet.

Standard: Welches Lied war das?

Kreisler: Es war ein Lied über Franz-Josef Strauß.

Standard: Ist das politische Kabarett tot?

Kreisler: Politik ist ein weites Feld. Alles kann man politisch nennen, auch Frau Merkel im Badeanzug. Mein Lied vom Taubenvergiften war damals auch ein politisches Lied, heute natürlich nicht mehr. Was ich heute im politischen Kabarett sehe, ist nicht komisch, sondern nur banal. Die Politik würde sich schon zum Kabarett eignen, aber es ist niemand da, der das macht. Ich weiß keinen. Vielleicht Josef Hader. Der hat viel Politisches gesagt und Gescheites. Aber er hat auch das Fach gewechselt. Schade.

Standard: Sie hätten sehr gerne mehr mit dem Theater zu tun gehabt. Woran ist das gescheitert?

Kreisler: Es war wohl Misstrauen. Ich habe damals in der ORF-Kabarettsendung Die heiße Viertelstunde zwei, drei Folgen lang über Musik- und Theaterkritiker gesprochen – und das wurde mir übelgenommen. Aber ich habe mich nicht einschüchtern lassen. Dann bekam ich einen Aufpasser ins Studio.

Standard: Sie haben die meiste Zeit Ihres Lebens in Europa verbracht, sind aber seit Ihrer Exilzeit US-amerikanischer Staatsbürger. Ist es Ihnen wichtig, dass das im Pass steht?

Kreisler: Nein, aber es ist auch nicht wichtig, dass etwas anderes drinsteht. Es ist zufällig so geworden, und so ist es geblieben.

Standard: Ihr Verhältnis zu Österreich ist aber nicht zufällig ein gespanntes. Sie haben sich immerhin Glückwunschschreiben vonseiten der Regierung verbeten.

Kreisler: Das war grotesk: Ich hatte jahrzehntelang nichts zu tun in Österreich, habe aber zu runden Geburtstagen immer diese Glückwünsche erhalten. Ich habe dann gesagt, wenn ihr mich nicht beschäftigen wollt, könnt ihr euch auch die Wünsche sparen. Das war vielleicht ein bisserl boshaft.

Standard: Und die Bundesregierung hat sich daran gehalten?

Kreisler: Ja. Immer. Das Schöne aber war, ich habe auch Glückwunschschreiben von den Bundespräsidenten bekommen. Nur nicht von Waldheim. Von ihm nie.

Standard: Sie haben noch Verbindungen in die USA. Setzen Sie Hoffnungen in Barack Obama?

Kreisler: Ja! Er wird die Erwartungen großteils erfüllen können. Die Situation ist ja ähnlich zu jener nach der großen Depression anno 1929/30. Da war es an Roosevelt, Arbeitsplätze zu schaffen.

Standard: Ihr Gastgeber Daniel Kehlmann hat Ihnen in seinen Würdigungsschreiben den Büchnerpreis zugedacht. Manche Ihrer Liedstrophen, vor allem die „Lieder zum Fürchten“ , erinnern an die Lyrik der Wiener Gruppe. Gab es da Austausch?

Kreisler: Nein, gar nicht. Aber als ich in der Marietta-Bar in Wien aufgetreten bin, Ende der 1950er-Jahre, da ist gerade med ana schwoazn dintn von H.C. Artmann erschienen. Das war das erste Buch, das damals Aufsehen erregt hat. Mir hat's sehr gefallen.

Standard: Ein Gedichtband ist in Arbeit und eine Oper steht vor der Uraufführung. Worum geht's da?

Kreisler: Das Aquarium ist eine komische Oper. Sie handelt davon, dass wir Menschen wie Fische über den Rand des Aquariums nicht hinaussehen können. Und uns dementsprechend benehmen. Uraufführung ist am 14. November am Volkstheater in Rostock.

Margarete Affenzeller/DER STANDARD, Printausgabe, 14.10.2009