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Kritik • 15.06.2009 • DrehPunktKultur

Eine Roma-Filmerin auf Seite eins

Sechshundert Zuschauer zählte man bei den veranstaltungen des Roma und Sinti Filmfestivals "Videodrom", das zwischen 9. und 12. Juni in der ARGEkultur neunzehn Dokumentarfilme aus neun Ländern präsentierte.

" ... und dann fällst du mit diesen Bildern in eine total andere Welt, total faszinierend und irgendwie irritierend zugleich ...", sagte ein Besucher.

Neben einem internationalen Filmprogramm mit insgesamt neunzehn Dokumentarfilmen sorgten Filmgespräche und zwei Expertenrunden zum Thema "Bild und Realität der Sinti und Roma" für reges Interesse. "Das Publikum war altersmäßig und vom Informationsstand her bunt durchmischt", berichten die Veranstalter von Studio West und ARGEkultur.

Bei der Präsentation der von Roma und Sinti selbst produzierten Kurzfilme, Freitag (12.6.) spätnachmittags, herrschte besonderes Gedränge. Und es zeigte sich: Diese Selbstdarstellungen unterscheideen sich ganz wesentlich von den Bildern, die in Filmen über Sinti und Roma dominieren. Inhaltlich stellte die Filmschau mit Filmschaffenden aus Tschechien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Israel, USA, dem Kosovo und Österreich sehr unterschiedliche Roma und Sintikulturen dar. Spezielles Augenmerk lag auf den aktuellen Lebensbedingungen in den Ghettos Südosteuropas und auf der Geschichte der Sinti in Deutschland und Österreich.

Viele Regisseure waren anwesend und diskutierten über ihre filmischen Positionen: die Österreicherin Karin Berger mit ihrem Porträt über Ceija Stojka, der Serbe Milos Stojanovic mit einer Musikdoku über den herausragenden serbischen Romasänger "Shaban" und die in Rumänien lebende Ungarin Emese Ambrus mit einem "Roadmovie" über den Elvisimitator "Elvis Rromano". Die Präsentation des Filmes einer jungen bulgarischen Romni, Ludmila Zhivkova, beim Salzburger Filmfestival wurde auch in bulgarischen Medien wahrgenommen. Eine der größten bulgarischen Tageszeitungen setzte sogar ein Porträt dieser jungen Filmemacherin auf ihre Titelseite.

Mehrheitlich, so weiß der Salzburger Filmemacher Hermann Peseckas, der in einem Zigeuner-Ghetto in Sofia gedreht hat, zeichne die Berichterstattung im Land ein negatives Bild der Roma mit zum Teil offen ausgetragener Verhetzung. Um so erfreulicher diese "prominente" und positive Darstellung in einem an sich romafeindlichen Massenmedium.

Die zweite Klasse einer Hauptschule und die siebente Klasse eines Gymnasium folgten der Einladung des oberösterreichischen Sinti-Vereins "Ketani". Ketani präsentierten einen Film, der die berührende Geschichte einer oberösterreichischen Sintifamilie in mehreren Generationen erzählt. Ein zeitgeschichtliches Dokument und für die Schülerinnen und Schüler, ein hautnahes Erleben von Geschichte, die offiziell nie stattfand: Denn ausgeblendet wird sowohl das Leben der Sinti heute, als auch deren Massenermordungen in den Konzentrationslagern.

Wie berichtet, hat die "Radiofabrik" auf dem Vorplatz der ARGEkultur ein Hörmahnmal installiert. Die Metallskulptur zeigt eine Figur auf Rädern, dem Symbol der Roma und Sinti. Durch Bewegungsmelder ausgelöst sind die Namen von Salzburger "Zigeunern" zu hören, die durch die Massenvernichtung im Dritten Reich umgekommen sind.

Das Konzertprogramm eröffnete das "Dotschy Reinhardt Ensemble". Die in Berlin lebende Angehörige des Django Reinhardt Clans führte in ihren Chansons und beschwingten Jazzballaden in eine sehr persönliche Welt ihres Sintiseins. Ein bewusst gesetzter "leiser" Auftakt. Spätestens seit den Filmen Kusturicas kennt sie jeder: die Hochzeitskapellen der südosteuropäischen Roma. Am letzten Tag des Festivals elektrisierte das "King Naat Veliov und das Original Kocani Orkestar" mit seinen Hochgeschwindigkeitsrhythmen. Romakultur pur, ein Volksfest reiner Lebensfreude und der Trompete. "La Brass Banda" waren an diesem zur Gänze ausverkauften Abend die bayrische blechgeblasene Antwort auf "King Naat". Das Quintett zitiert musikalisches Material von Pop, Reggae bis Traditional und übersetzte es in den Stil einer Romakapelle, jedoch mit "stark bayrischem Akzent". Ein Beispiel zur Wirkung von Romamusik. Romaneske, südosteuropäische trifft auf bayrische Brasstradition.

Es war ein Festival, das "nichts auf einen Nenner bringen wollte", sagen die Veranstalter Karin Helml, Andreas Kraus, Hermann Peseckas und Arthur Zgubic: "Kein Event, sondern Nachhaltigkeit."

© DrehPunktKultur

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