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Kritik • 29.06.2009 • Ulrike Guggenberger, DrehPunktKultur

Ein Abend der Grenzüberschreitungen

Blau, gelb, orange, weiß ... die Begegnung der ankommenden Besucher mit den Performern des Tanztheaters "saving lies" ergab sich am Sonntag (28.6.) bereits in der Eingangshalle der ARGE bei der Verteilung von Farbpunkten.

Die einzelnen Gruppen ziehen mit Vitor, Kylie, Adva, Jerry, Gerrit ab in die unterschiedlichen Aufführungsräume: Lebhaft beteiligt sich das Publikum an einer Auktion für ein Waisenhaus im Kongo. Während einer Einführung in den Gebrauch verschiedener Schusswaffen - das Testen einer Waffe durch einen Freiwilligen mit eingeschlossen - verlässt der eine oder andere überstrapaziert den Raum. Mit Anleitungen zur schmackhaften Aufbereitung von Menschenfleisch in den vorauszusehenden Notzeiten werden die Grenzen des Erträglichen im Publikum getestet. Ein "hero" soll sich aus dem Publikum melden, das schmachtend da liegende Schneewittchen wach zu küssen.

Bis an die Grenzen des Möglichen gehen auch die Performer selbst in den folgenden Körperszenerien, zu denen das Publikum sich im großen Saal nun gemeinsam einfindet. In rhythmischen Zuckungen kleben vibrierende Körper am Boden, reißen sich Körper voneinander los, um erneut aufeinander zuzustürzen, werden seelische Schmerzen qualvoll über den Körper ausgestülpt - bis hin bis zur totalen Erschöpfung. Zurück in der Dunkelheit des Raumes bleibt allein die tiefe Betroffenheit der Rezipienten.

Eine sinnenhafte Ergänzung erfährt das Publikum über die visuell/akustische Hersauforderung der vor Ort aufgeführten multimedialen Musik Gerritt Valckenaers, sowie stimmlich über an die Anwesenden weitergereichten Kopfhörer. Auf diese Weise wird das Publikum mit zunehmender Intensität an die zentrale Message des Abends, "saving lies" herangeführt.

Einblicke in die Künstler-Garderobe gestatten nun eine Leinwand Projektion - als überdimensionierte "meeting at the moment" Einspielungen. Mitten hinein in die Garderoben-Szenerie ertönt aus dem Off sanft aber bestimmt der Aufruf an jeden einzelnen der Truppe: Vitor, Kylie, Adva, Jerry, Gerrit.

Einer nach dem anderen erscheint im Scheinwerferlicht. Einem unterschwelligen Verhör vergleichbar geben sie der bedrängend betörenden, anwesend-abwesenden Stimme ihr Innerstes preis, versuchen zäh ihre geheimen Irrungen und Wirrungen zu überspielen. Peinlich berührt ob der intimen Selbstdarstellung werden die Zuschauer unvermittelt selbst zu Beteiligten, begreifen die eigene Verquickung an den Geständnissen.

Der rote Faden der Erkenntnis unangenehmer Wahrheiten, dem Blick in den Spiegel der menschlichen Seele, setzt mit dem Beginn des Abends an. Schon hier werden die Grenzen zwischen Publikum und Schauspielern aufgeweicht, um möglicher Selbsterkenntnis eine Chance zu bieten.

Ein Abend der Grenzüberschreitungen - Theater, Performance, Musik, Literatur, bildende Kunst. Wie weit sich Theater dabei von seiner approbierte Form entfernt, wird am Schluss noch einmal deutlich, wenn sich herausstellt, dass nicht alle Besucher in der Einführung dieselben Performances erlebt haben.

© Ulrike Guggenberger, DrehPunktKultur

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