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Kritik • 28.04.2011 • Nina Ainz, DrehPunktKultur

Wenn Worte allein nicht ausreichen

Wie gestaltet man Theater für Menschen, die nicht hören können? Das Theater F.O.C.U.S.S. inszeniert Sophokles' "König Ödipus" für hörende und gehörlose Zuschauer. Die erfolgreiche Premiere fand am Mittwochabend (27. 4.) in der ARGEkultur statt.

Es ist schwer zu schätzen, wie viele Male König Ödipus bereits inszeniert wurde. Fraglich ist jedoch, ob das jemals mit einem Chor geschah, dessen Texte von hörenden Schauspielern gesprochen und gleichzeitig von gehörlosen Schauspielern in Gebärdensprache gezeigt wurden. Es sei ein Experiment, König Ödipus nach Sophokles' Drama so zu inszenieren, dass auch Gehörlose dem Stück folgen können, sagt Theater-F.O.C.U.S.S.-Produzentin Hildegard Starlinger bei der Einführung zum Stück, die speziell für die gehörlosen Besucher vor der Aufführung in Gebärdensprache stattfindet. So viel kann hier schon verraten werden: Dieses Experiment ist gelungen.

Die Geschichte von König Ödipus dürfte hinlänglich bekannt sein: Ödipus (Torsten Hermentin), König von Theben, möchte sein Volk von der Pest befreien. Die Götter teilen ihm mit, dass allein die Rache an den Mördern des letzten Königs dem Volk helfen kann. Ödipus begibt sich auf die Suche nach dem Mörder seines Vorgängers Laios und stößt dabei auf die qualvolle Wahrheit: Er selbst hat den damaligen König, der sein Vater war, ermordet und dessen Frau Iokaste (Gerda Gratzer), die seine Mutter ist, geheiratet.

Nur keine Angst: Man muss der Gebärdensprache nicht mächtig sein, um dem Stück folgen zu können. Die Schauspieler sprechen "normal"; lediglich die Texte des Chores werden sowohl gesprochen als auch in Gebärdensprache übersetzt. Das wirkt auf hörende Zuseher, die mit dem Anblick der Gebärdensprache nicht vertraut sind, fast wie eine ungewöhnliche Choreografie und gibt dem Geschehen auf der Bühne einen besonderen Reiz.

Schnell wird klar, dass die deutsche Gebärdensprache die gesprochene Sprache nicht einfach Wort für Wort übersetzen kann. Die grammatikalischen Strukturen der Gebärdensprache unterscheiden sich stark von denen der gesprochenen. So wird bei den Verben zum Beispiel meistens der Infinitiv anstelle der flektierten Form verwendet. Die hörenden Schauspieler sprechen Wort für Wort laut mit, was der Chor auf Gebärdensprache sichtbar macht. Das verleiht den gesprochenen Texten und auch der gesamten Inszenierung eine etwas verfremdende, faszinierende Ästhetik.

Regie führte Adele Kobald, die auch für Konzept und Buch verantwortlich ist. Die Inszenierung legt viel Wert auf eine Kombination aus visuellen und auditiven Reizen. Die Bühne ist in kühles Licht getaucht und sehr reduziert gehalten. Im Hintergrund stehen lediglich einige Instrumente, davor sind ein paar Holzsteigen im Halbkreis angeordnet, die dem Chor im Bedarfsfall als Sitzgelegenheit dienen. Auf einer Leinwand werden Bilder in Grautönen projiziert: antike Säulen, Gräser, wichtige Sätze, die von den Schauspielern gesprochen werden.

Fernando Elias sorgte für die musikalische Gestaltung. Er lieferte unter anderem laute Trommelschläge und zarte Vibraphonklänge in den passenden Momenten. Wurde zum Beispiel der Begriff Tod genannt oder gebärdet, setzte es einen Paukenschlag, den sowohl gehörlose als auch hörende Zuseher und Zuseherinnen in der Magengrube gespürt haben dürften.

Torsten Hermentin ist ein in seiner wilden Verzweiflung sehr überzeugender Ödipus und hat in Gerda Gratzer als Königin Iokaste eine würdige Partnerin. Gerard Es spielte Ödipus' Schwager Kreon, der Chor bestand aus Gülsüm Kandemir, Mobina Kazmi, Jasmina Marian, Jaqueline Schrotter, Karoline Mackinger und Anna Paumgartner.

Am Ende meint man sogar, die eine oder andere Gebärdengeste zu beherrschen. Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, das Gesehene dann auch selbst umzusetzen. Eine einfache Übung aber ist das Klatschen: In Gebärdensprache winkt man den Schauspielern nämlich fröhlich mit beiden Händen von den Zuschauerrängen zu, wenn es gefallen hat. Und gefallen hat dieser ungewöhnliche König Ödipus ganz und gar.

© Nina Ainz, DrehPunktKultur

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