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Presse • 04.05.2011 • Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

"Bei Gustav gärt alles langsam"

"Faust"-Pop. Für die Salzburger Festspiele komponiert Eva Jantschitsch zum Thema "Faust". Als Gustav ist sie derzeit auf Tournee.

Gustav ist Eva Jantschtisch. Auf zwei Alben - "Rettet die Wale" (2004) und "Verlass die Stadt" (2008) - spielt sie raffiniert mit Stilen und Slogans, mit dem Erbe des Politsongs, den Möglichkeiten des Laptops und der Lust zur Überraschung. Dafür wurde sie bejubelt als eine der wichtigen Popstimmen des Landes. Auf ein neues Album wird seither gewartet.

Der Pop ist, wie sie sagt, "eigentlich ein Zufallsprodukt" neben ihrer Arbeit als Theatermusikkomponistin. Derzeit ist das Popprojekt Gustav aber wieder auf Tournee (heute, Mittwoch, 4.5., ARGEkultur). Jantschitsch arbeitet gleichzeitig an Kompositionen für die Salzburger Festspiele. Im Rahmen des "Faust"-Schwerpunktes entsteht "Unterhaltungsmusik auf der Suche nach Erkenntnis".

Ein Gespräch über die Musik und die Reibungen der Welt, aus denen große Popsongs werden:

SN: Sie treten heuer mit einem "Faust"-Projekt bei den Salzburger Festspielen auf. Wie kam es zu diesem Projekt?
Gustav: Ich mache sehr viel Musik fürs Theater. Der Dramaturg am Thalia Theater, das die "Faust"-Inszenierung von Nicholas Stemann koproduziert, brachte meinen Namen ins Spiel. Ich habe mir jetzt einmal den "Faust" reingezogen. Ich habe das bisher nicht gelesen, und so war es eine gute Gelegenheit, das nachzuholen.

SN: Warum haben Sie's bisher nicht gelesen?
Gustav: Ich hatte davor immer einen Heidenrespekt, weil ich Angst vor der Sprache hatte.

Nun habe ich aber festgestellt, dass es ein recht zugänglicher Text ist, eigentlich eine sehr flockige Sprache, der man als Basis für eine musikalische Arbeit sehr viel abgewinnen kann. Davon war ich überrascht.

SN: Was hat Sie da überrascht?
Gustav: Allein der Rhythmus der Konstruktionen ist extrem musikalisch. Das sind griffige Slogans und verknappte Erkenntnisse, popig aufbereitet in der Sprache der Zeit. Das lässt sich extrem gut verwenden.

SN: Sie werden unter dem Titel "Unterhaltungsmusik auf der Suche nach Erkenntnis" also den Text vertonen?
Gustav: Nein. Der Text ist eine Inspirationsquelle. Es kommen sicher auch in meine Kompositionen Phrasen hinein als ganz bewusst gesetzte Zitate, aber letztendlich ist der Text von mir.

Eine reine Interpretation würde mich auch gar nicht interessieren. Was ich an der Theaterarbeit spannend finde, ist, dass meine Sprache reflektierend auf das bestehende Material wirkt.

SN: Wie sieht im Gegensatz zur Theaterarbeit die Arbeit bei Gustav aus?
Gustav: Die Dinge laufen parallel. Sie sind eine Ergänzung des künstlerischen Arbeitens. Einerseits gibt es den Auftrag, sich in den Dienst einer Inszenierung zu stellen. Das Schöne bei der Arbeit für das Theater ist ja, dass man zurücksteigt von seinem Ego, weil die Musik auf der Bühne nicht das Wichtigste ist. Da gibt es eine bestimmte Deadline, den Premierentag, der vorschreibt, wann etwas fertig sein muss.

SN: Bei Gustav gibt es solche Deadlines nicht?
Gustav: Bei Gustav gären die Sachen natürlich viel langsamer. Das gibt die Freiheit, nur das zu tun, was ich will, das zu erarbeiten, was mir wichtig ist und mich beschäftigt.

Der Auftrag muss von mir kommen oder tatsächlich von einer gesellschaftspolitischen Reibung.

SN: Sie haben als Gustav bisher zwei Alben veröffentlicht. Dazwischen lagen vier Jahre. Nun liegt das zweite Album "Verlass die Stadt", auch schon drei Jahre zurück. Also kommt der Auftrag wohl selten.
Gustav: Diese Schwierigkeit hat doch jede Künstlerin und jeder Künstler, weil es dabei um die grundsätzliche Frage geht: Warum mache ich das? Man darf nicht in die Falle tappen und ein Album nur herausbringen, weil man ein Album herausbringt und weil es einem wirtschaftlichen Rhythmus entspricht, der einem nahegelegt wird, wenn man Popmusik macht. Dem versuche ich zu entgehen.

SN: Welche Rolle spielte dabei der Erfolg ihres Debüts "Rettet die Wale"?
Gustav: Zunächst hat mich das extrem überwältigt. Ich hatte ja keine Phalanx hinter mir. Ich begegne dem Ganzen als Individuum. Da war kein Management, kein Label. Das war alles aus reiner Eigenkraft zu bewältigen, und da verfügt man nicht über Tools, die einem das einfach machen. Man hat keine Souveränität und Coolness, keine Leichtigkeit, die man diesen Dingen gegenüber mit der Zeit entwickeln kann.

SN: Und wurde es leichter?
Gustav: Für Gustav konnte ich darauf aufbauen - und für das zweite Album ließ sich daraus sicher auch Kraft schöpfen.

SN: Wann kommt denn der Moment der Reibung, aus der dann ein Auftrag für ein Lied wird?
Gustav: Das ist eher die Summe der einzelnen Teile. Da nagt ein Themenfeld, und je mehr ich darüber lese, umso klarer wird die Sache. Ich sitze Monate immer wieder stundenlang jeden Tag vor meinen Nummern. Ich gehe sehr klassisch vor, wie ein Autor, der sich alles zusammensucht.

SN: Und jetzt suchen Sie sich den Goethe zusammen?
Gustav: Naja, zunächst lese ich jetzt einmal viel Jean Ziegler. Und der Arbeitsauftrag an mich selbst ist natürlich, ausgeladen zu werden (lacht).

SN: Und das neue Album?
Gustav: Herbst 2012 könnte ein Termin sein.

© Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

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