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Kritik • 21.10.2008 • Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

Lauter Licht am Ende des Kapitalismus

Der deutsche Songliterat Peter Licht live in Salzburg: sprachwitzige Bescheidenheit und tiefes Gefühl

Peter Licht wusste es. Aber Vorlautes und Besserwisserisches ist nicht seine Art. Also lässt er sich Zeit bis zu den Zugaben, um zu sagen, was er lange schon wusste: "Vorbei, vorbei, vorbei, vorbei, jetzt isser endlich vorbei." Gemeint ist "der Kapitalismus, der alte Schlawiner". "Ist uns lang genug auf der Tasche gelegen", heißt es in "Das Lied vom Ende des Kapitalismus". Vor zwei Jahren war das gleichnamige Album des Kölner Songliteraten erschienen. Und dass er jetzt Recht bekommt von Börsencrash und Bankenzerfall, nimmt er gelassen zur Kenntnis. Überhaupt verweigern er und seine drei Begleiter beim Auftritt in der ARGEkultur jede triumphierende Geste. Gewusst haben genügt. Außerdem hat er den Untergang hinter sich. Das aktuelle Album "Melancholie und Gesellschaft" handelt davon, was der Marktplatz Welt mit uns angerichtet hat: Entfremdung, Vereinsamung - "du da, ich hier".

Peter Licht ist ein Phantomsänger. Es gibt kein Bild von ihm und beim Konzert wurde gebeten, man möge nicht fotografieren - alle halten sich dran. Begonnen wird im Halbdunkel. So wie Peter Licht im Lauf des Konzerts auftaut (und sogar etwas tut, was man Tanzversuch nennen könnte), braucht das Saallicht lange, bis es voll zur Geltung kommt. Nichts soll hier von Wort und Musik ablenken - egal ob es lässig sprachwitzig um eine Attacke auf eine von der Werbung dirigierte Welt geht oder in zärtlichem Schmerz um die Fantasie, als Einziger übrig geblieben zu sein auf Erden.

Peter Licht ist kein Untergangsfan. Und so wird gleich zu Beginn in "Räume Räumen" aus einer heftigen Verneinung in vier Song-Minuten tief gefühlte Bejahung. Das ist Grundprinzip: Es mag alles schlecht sein, aber zumindest können wir immer noch eine Utopie entwerfen - und wenn die dann auch nur eine schöner Popsong ist. Und was heißt bei solch wunderbaren Popsongs schon "nur".

Die Schönheit passiert in tiefschwarzer Romantik eben so wie in Nonsensreimen - und sie passiert mit, nun ja, Protesthaltung. Es ist aber kein plakatives Revoluzzertum. Kein trotziges Aufbegehren begegnet uns. Was hier formuliert wird, lässt sich nicht wörtlich hören, sondern eher ahnend und vermutenden mitsummen. Subtil wird die Gesellschaft seziert. Bescheiden klingt alles. Diese Bescheidenheit gilt auch für die Stimme, Die hält live nicht, was bei der Albumproduktion fein geschliffen wurde. Aber das ist irgendwie auch egal. Weniger perfekte Ergänzung aus Wohlklang und Wortwahl sind wichtig denn die Dokumentation innerer und äußerer Weltzustände. Peter Lichts größtes Talent ist es, dass sich nicht erkennen lässt, was er nur ironisch und was er todernst meint. Auf dem Weg ins Gehirn jedenfalls bleiben die Texte nicht in der Abteilung "Sozialkritik" hängen, sondern flitzen weiter dorthin, wo Intelligenz und Tanzbein, Poesie und Protest einen so amüsanten wie hintergründigen Popliedabend feiern.

© Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten

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