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Kritik • 17.11.2008 • Ursula Trojan, DrehPunktKultur

"Wie konnte sie nur ...?"

Jutta Ditfurth hielt am Sonntag (16.11.) Vormittag in der ARGEkultur mit ihrer "frei erzählende Lesung" über ihr Buch "Ulrike Meinhof. Die Biographie" die Zuhörer in Bann.

Man mag zur Person Jutta Ditfurth (Publizistin, Ex-Grüne und nun Autorin eines fast fünfhundert Seiten dicken Wälzers) stehen wie man will: Ohne Zweifel waren es drei spannende Stunden, die durch Ditfurths lockeren Erzählstil nur so zu verfliegen schienen. In akribischer Kleinarbeit trug die Verfasserin sechs Jahre lang ihr Material zusammen. Nachdem sie entdecken musste, das "nichts mehr stimmen konnte", dass "alle Schriften immer nur untereinander wieder abgeschrieben worden waren", habe sie alles bisher Gehörte und Gelesene verworfen und einen völlig neuen Zugang gesucht.

So kam Jutta Ditfurth an Zeitzeugen, die noch nie geredet hatten, sie nahm Akten des Bundeskriminalamts unter die Lupe. Sie wolle, so Ditfurth, "ein für alle Mal aufräumen mit den Mythen und einseitig betrachteten Wahrheiten etwa eines Stefan Aust oder der gesamten Meinhof-Verwandtschaft".

Wie konnte sich nun aber wirklich aus dem 1934 in Oldenburg geborenen "begabten Ulrikchen" eine Frau entwickeln, die als "Staatsfeindin Nummer Eins" enden sollte? Der Vater, Kunsthistoriker und Museumsdirektor in Jena, entpuppt sich plötzlich als NSDAP-Mitglied. Er starb, als Ulrike fünf Jahre alt war. Die Mutter ging daraufhin eine (toleriert und belächelte) lesbische Beziehung mit Renate Riemeck ein, die später viel Einfluss auf die heranwachsende Ulrike ausüben sollte. Ihre Lehrer: Nonnen, alte Nazis. Bald wurde anderen Schülern verboten, mit ihr zu sprechen.

Als Studentin sucht sie Atomgegner-Komplizen und verteilt 1958 bei einer spektakulären Kundgebung Flugblätter in der Stadt Münster. Daraufhin als "Schande der Universität" beschimpft, tritt sie der SPD gewaltig auf die Füße und anschließend in die illegale KPD ein.

Noch bevor sich Ulrike Meinhof der späteren RAF-Gruppe anschloss und erste Aktionen im "Bewaffneten Kampf" startete, beteiligte sie sich schon an einem Sprengstoffanschlag in einer deutschen Werft für Kriegsschiffe. Zu einem Schlüsselsatz für sie kam es auf einem Vietnam-Kongress: Ein Jude prägte da den Begriff "Mit Sabotage gegen Krieg vorgehen". - Genau das Gegenteil also, von dem was "Guerilla" heute sein will.

Jutta Ditfurth beendete ihre Buchvorstellung mit einem Spendenaufruf für den Erhalt ihres umfangreichen Ulrike Meinhof-Archivs.

© Ursula Trojan, DrehPunktKultur

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