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Interview • 17.11.2008 • Robert Fischer, Kulturwoche

Gravity: Interview mit Son Of The Velvet Rat

Georg Altziebler aka Son Of The Velvet Rat hat sich für die Songs seiner neuen EP "Gravity" erneut mit Produzent Ken Coomer in Nashville zusammengetan. So weit, so gut. Doch anstatt der melancholischen Songs, für die SOTVR normalerweise bekannt ist, sind auf "Gravity" sechs groovige, Gitarren-lastige Stücke zu hören, die schon fast als Pop durchgehen. Im Interview mit Robert Fischer erzählt Georg Altziebler, was ihn zu diesem unerwarteten Stilwechsel getrieben hat.

Kulturwoche.at: Du hast die Songs deiner letzten CD "Loss & Love" in Nashville mit Ken Coomer, dem Ex-Wilco Musiker aufgenommen. Wie sind die Songs deiner neuen EP "Gravity", die ausschließlich als 12" Vinyl EP bzw. Download erhältlich ist, entstanden?

Georg Altziebler: Die Songs sind im gleichen Studio und auf dieselbe Art wie bei "Loss & Love" entstanden, bis auf den Tastenmann waren auch die gleichen Musiker am Werk.

Das heißt, diese Songs sind auch in Nashville eingespielt worden?

Ja, bis auf einen. Der Bonus Track "Hotel Song No. 2" ist eine Nummer, die wir in Berlin im Juli 2008 aufgenommen haben. Christoph Hahn von Les Hommes Sauvages, den ich schon lange kenne, hat bei dieser Aufnahme Gitarre gespielt und Richard Pappik von Element Of Crime, ebenfalls ein alter Bekannter, spielt Schlagzeug.

Warum veröffentlichst du nur eine EP und keine komplette CD? Hat das einen besonderen Grund?

Ja, die Songs sind einfach alle flotter als die der letzten CD ...

Teilweise fast poppig, stimmt's?

Ja, und ich bin bald drauf gekommen, dass sich diese Songs gut eignen würden, um ihnen ein Garagen-Pop Gewand anzuziehen, das haben wir dann auch versucht und ich bin der Meinung, es ist sehr gut gelungen. Es hat mir irrsinnig Spaß gemacht, mal was ganz Anderes zu machen. Es gab da fünf Songs und die eine Nummer aus Berlin, die haben sehr gut zusammengepasst, mehr Songs gab es aber nicht, daher die EP.

Ich habe gerade ein sehr interessantes Interview mit dem Tontechniker von Bob Dylan gelesen, der erzählt, dass Dylan seine Musiker z. B. bittet, einen alten Blues von Muddy Waters zu spielen, um einen gewissen Sound zu kreieren und dann seinen eigenen Song daraus entwickelt. Wie geht die Studio-Arbeit bei dir vor sich?

Bei den letzten beiden Alben, die in Nashville entstanden, war es so: Der Produzent sucht sich Musiker aus, mit denen er glaubt, die Songs gut umsetzen zu können. Die sitzen dann schon im Studio, wenn man ankommt, kennen die Songs aber meistens nur von ganz rohen Demos, die ich per E-Mail versendet habe. Das heißt, sie wissen nur ungefähr, welche Art von Musik sie erwartet. Dann setze ich mich mit der Akustik-Gitarre neben das Mischpult und spiele ihnen das vor, dann machen sich alle ihre Notizen, und es kann sein, dass man noch kleine Regieanweisungen gibt. Im Fall von Gravity war es eben so, dass ich gesagt habe, ich hätte es gerne in Richtung französischer Trash-Pop der 1970er Jahre a la Plastic Bertrand. Das Ganze passiert sehr spontan, und gerade das gefällt mir auch gut daran, hopp oder tropp.

Interessant. Und die amerikanischen Studio-Profis haben sofort gewusst, was du meinst, wenn du z. B. von französischem Trash-Pop sprichst?

Ja, definitiv. Man darf nicht glauben, dass diese Musiker, nur weil sie aus Nashville sind, nur Country spielen können. Die sind auch in anderen Stilen zuhause. Und auch wenn Sie nicht alles kennen, können sie sich den Sound vorstellen oder haben zumindest sofort eine Assoziation, mit der man dann weiterarbeiten kann oder die einen wieder ganz woanders hinführt. Sie sind spontan bereit sich in etwas hinfallen zu lassen und mit eigenem Leben zu füllen, ohne nur etwas zu reproduzieren, was ihnen irgendjemand vorgibt.

Das sind wohl die berühmten magischen Momente, wenn du im Studio fremden Musikern deine Songs vorspielst, die sofort etwas damit anzufangen wissen bzw. dann rasch eine Aufnahme entsteht, oder?

Ja, schon ... wenn man auf einmal etwas hört, was perfekt passt und sich toll in den Song einfügt. Es ist etwas ganz Besonderes, wenn jemand sein Instrument so spielt, dass es perfekt dazupasst. Ein einzigartiger Moment. Zum Beispiel das Cello auf "Bad Screenplay/Bad Karma", dem zweiten Song der "Loss & Love"-CD, das hat auf Anhieb gepasst.

War der Schritt, für Studio-Aufnahmen nach Amerika zu gehen ein großes Risiko für dich? Wie bist du mit Ken Coomer in Kontakt gekommen?

Er hat mich kontaktiert. Irgendwie hat er mal Aufnahmen von mir gehört, und hat dann gleich in den Mails, die er mir geschrieben hat, sehr ausführlich und mit viel Enthusiasmus und sehr viel Verständnis geschildert, wie er sich die Arbeit an meinen Songs vorstellt. Da hatte ich das Gefühl, das könnte klappen.

War es für dich auch ein zusätzlicher Bonus, dass auf deiner letzten CD ein Sticker mit "Produced by Ken Coomer of Wilco" war? Das ist doch sicher ein Anreiz für Leute, in die CD mal reinzuhören, auch wenn sie noch nie von Son Of The Velvet Rat gehört haben. War da auch ein kommerzieller Hintergedanke dabei?

Den Sticker hat die Plattenfirma aufgeklebt! [Lacht.] Mich stört es nicht, aber ich mache mir überhaupt keine Gedanken, ob sich jetzt jemand die CD nur anhört, weil Ken Coomer dabei ist oder nicht. Die Kooperation mit Ken Coomer hat sich einfach so ergeben, das war alles.

"Gravity" erscheint ja exklusiv als Vinyl-EP und Download. Bist du selbst auch eher Vinyl-Fan?

Ja schon, aber ich bin sehr faul! CDs sind halt schon praktisch, die braucht man nicht umdrehen ...

Erzähle noch etwas über die Songs. "Hotel Song No. 2" hört sich nicht danach an, als ob du eine großer Fan von Hotel-Übernachtungen bist ... du beklagst dich im Song über die Geräusche aus den Nachbarräumen, es gibt keinen Fernseher im Zimmer, etc .... oder liege ich da falsch?

Ich bin ein großer Fan des Unterwegs-Sein. Und durchaus auch ein Fan von Hotel-Übernachtungen. Natürlich gibt es auch furchtbare Absteigen, aber prinzipiell liebe ich das Gefühl, unterwegs zu sein.

In einem früheren Interview hast du gemeint, dass du auch versuchen möchtest, in Deutschland mit deiner Musik zu punkten. Wie ist da der aktuelle Stand?

Wir haben dieses Jahr eine Tour dort gemacht. Sieben oder acht in kleinen Clubs mit viel Wegstrecke dazwischen, kreuz und quer durch Deutschland. Die Konzerte waren toll, aber wir hatten wenig Promotion und auf Dauer ist das natürlich dann schwierig.

Es ist immer wieder die Rede davon, dass der Tonträgermarkt einbricht und die Künstler wieder verstärkt vom Live-Spielen leben. Ist dieser Trend für dich auch spürbar?

Für meine Verhältnisse haben sich meine CDs bis jetzt gar nicht so schlecht verkauft, und es gibt sicher jede Menge Musiker gibt, bei denen es schlechter läuft. Grundsätzlich glaube ich auch, dass man in Zukunft vom Tonträgerverkauf alleine nicht mehr leben wird können. Aber ich finde die Entwicklung nicht schlecht, die Live-Gagen steigen und es kommen mehr Leute zu den Konzerten.

Dass Townes Van Zandt ein wichtiger Einfluss für deine Musik ist, weiß man. Wie stehst du zu Bob Dylan?

Dylan ist vor allem als Live-Performer unglaublich. Er hat natürlich auch großartige Songs geschrieben und ich habe ihn schon mehrmals live gesehen, leider nicht in den Sechziger- und Siebzigerjahren. In den Achtzigern war er auch noch gut, aber als ihn in Graz vor fünf Jahren live gesehen habe, wirkte er etwas müde. Aber in der Live-Performance ist er sicher über Townes Van Zandt zu stellen, Auch das Verändern der Songs durch seine Phrasierungen finde ich großartig.

Man sagt ja, dass Dylan live die Songs von Abend zu Abend verändert.

Ja, das möchte ich für meine Songs eigentlich auch.

Machst du bei deinen eigenen Songs auch Abstufungen? Spielt man bei einem Konzert die ganz neuen Songs lieber als die älteren?

Solange ich etwas damit verbinde bzw. mir der Song etwas bedeutet, spiele ich auch die alten Lieder gerne. Es gibt manche Songs, die man live einfach nicht gut hin bekommt. Die lässt man einige Zeit ruhen, und nach ein paar Jahren geht es dann auf einmal. Das gibt es. Aber aktuell habe ich ein paar alte Nummern im Programm, die ich sehr gerne spiele. "Hotel Song No. 2" habe ich z. B. schon 1995 geschrieben, aber die Fassung auf Gravity ist besser als früher.

Du hast also den Song für "Gravity" komplett neu aufgenommen?

Ja, das ist zur Zeit eines der ältesten Nummern in meinem Live-Set, aber das Publikum ist jedes Mal begeistert davon. Die anderen Songs von Gravity habe ich alle letzten Sommer geschrieben. Da habe ich spontan einige Songs mit einem Rock/Pop-Touch verfasst.

Zum Schluss noch eine Frage zur Politik. Bei der Aktion "Flucht ist kein Verbrechen" wirst du mit dem Ausspruch zitiert, "In diesem Land haben zu viele Menschen Angst". Hat sich das nach der Nationalratswahl im Oktober 2008 wieder bestätigt?

Ja, anscheinend haben jetzt noch mehr Menschen Angst! Angst vor der Weltfinanzkrise, Angst vor den Ausländern, Angst vor der EU, etc. Angst macht Aggression. Und mit Angst lässt sich leicht Politik machen. Dazu kommen auch noch die Protestwähler, von denen es auch genug gibt.

Vielen Dank für das Interview. Das nächste was ich mir vornehme, ist Son Of The Velvet Rat endlich einmal live zu sehen!

Gerne, würde mich freuen!

© Robert Fischer, Kulturwoche

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