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Kritik • 17.12.2008 • Roman Gerold, DrehPunktKultur

Eine Verkettung magischer Augenblicke

Geheimtipp-Flair hatte das Konzert von Meister-Melancholiker Scott Matthew am Dienstag (16.12.) in der ARGE Kultur. Die Veranstalter machten damit ein besonderes Weihnachtsgeschenk.

Man mag sich zuerst ein bisschen gewundert haben: Warum gerade der große ARGE Saal für ein Konzert, das absehbarerweise sehr intim und 'im kleinen Kreis' bleiben würde? Verliert sich da nicht die Intensität? Solche Befürchtungen sind nach den ersten Tönen aus Scott Matthews Kehle allerdings schnell dahin. Eher, denkt man dann, wäre das "Studio" im Keller vielleicht sogar zu klein gewesen, das Publikum darin zu dicht gedrängt für diese Stimme, die selbst noch in ihren brüchigsten Momenten alle Winkel des Saals mit Präsenz ausfüllt. Dass nur knapp die Hälfte der aufgestellten Stühle besetzt ist, ist der besonderen Atmosphäre, die Matthew schafft, paradoxerweise sogar dienlich.

Scott Matthew ist nicht derselbe wie Scott Matthews, sondern ein verhältnismäßig wenig bekannter New Yorker Songwriter, den man hierzulande vor allem aus dem 2006er-Film "Shortbus" kennt. Er ist einer jener Künstler, die mit ihrer Musik dem herzerfrischend leibfreundlichen Queer-Porno-Drama John Cameron Mitchells zu seinem unverwechselbaren Soundtrack verholfen haben. Nicht nur mit seinen Kompositionen, auch mit seinen Live-Auftritten bereicherte Matthew den Film.

Schon bei "Shortbus" war Scott Matthew dabei vor allem für die gesunde Portion verträumter Melancholie zuständig. Seine Musik lässt sich als eine herzergreifende, folkverbundene Sorte Chamber-Pop verstehen. Seine Motivation beschreibt Matthews lakonisch auf der Bühne: "Life sucks at times, and you write a song about it." Bahnbrechend ist der gebürtige Australier dabei nicht in seinem Songwriting - darin bleibt er meisterlich dem Salonfähigen und seinen Vorbildern (z.B. Bob Dylan, aber auch Chet Baker) verbunden. Was ihn einzigartig macht, ist seine Stimme, mit der er magisch beseelt, was immer er nur anklingen lässt. In puncto vokaler Eigenständigkeit kann man Matthew gut zum Beispiel mit David Sylvian, Antony (Hegarty, von Antony & the Johnsons) oder Rufus Wainwright vergleichen.

In der ARGE präsentiert Matthew sein Programm mit dreiköpfiger Band. Seine MitmusikerInnen spielen Klavier (Marisol Limón Martínez - die auch das Vorprogramm mit Gnosiennes von Satie bestreitet), E-Bass (Eugene Lemcio) und Cello (Sam Taylor), bisweilen greift der Bassist zur Kalimba. Matthew selbst begleitet sich mit einer Spielzeug-Gitarre. Die Arrangements sind darauf angelegt, der Stimme größtmöglichen Raum zu geben. In konsequenter Zurückhaltung bereiten sie Matthews Leiden ein weiches Bett, auf dem es sich gut winden bzw. räkeln lässt. Und während den Musikern ihre Instrumente immer ein bisschen fremd zu sein scheinen, wirkt auch Scott Matthew seltsam entrückt. Man meint zu spüren: dieser Sänger kann gar nicht anders - was er tut, das muss er tun. Das verleiht seiner Performance jene Intensität, jene Intimität, die Gänsehaut macht.

Gleichzeitig kann man sich auch des Gefühls nicht erwehren, dass Matthew versucht, von seinem Melancholiker-Image wegzukommen: Songs voll emotionaler Spannung werden mit Spielzeug-Gitarren-Schrumms und spitzbübischen Grinsern beendet, der verträumte "Shortbus"-Hit "Upside Down" als "hard rock song" bezeichnet. Wenn Matthew lachend nach einem flotteren Song sagt "And now back to misery - my best friend" dann ist eine gewisse Selbstironisierung kaum übersehbar. Scott Matthew ist nah und fern gleichzeitig, das ist das durchaus Verstörende an ihm.

© Roman Gerold, DrehPunktKultur

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