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Kritik • 01.02.2009 • Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten

"Der lustigste Deutsche war Österreicher"

Pointenfest. Satire müsse provozieren, sagt Werner Koczwara im SN-Gespräch. Am Samstag gastiert der deutsche Kabarettist bei der MotzArt-Woche in Salzburg.

Der schwäbische Kabarettist Werner Koczwara kann Fragen stellen, auf die sonst so schnell niemand kommt. "Warum war Jesus nicht rechtsschutzversichert?" lautet der Titel eines Programms, in dem es um den Wahnwitz geht, der sich in Gesetzestexten verbirgt. Mit seinem Juristen-Kabarett wurde Werner Koczwara auch in Österreich bekannt. In seinem neuen Programm, mit dem er kommenden Samstag (20 Uhr) bei der MotzArt-Woche in der Salzburger ARGEkultur gastiert, erweitert der ehemalige Gagschreiber von Harald Schmidt sein Themenfeld: "Kabarett über alles, außer Tiernahrung" lautet der Titel. Weil er darin auch TV-Comedians wie Oliver Pocher auf die Schaufel nimmt, und weil bei der MotzArt-Woche mit Dieter Hildebrandt, Andreas Rebers oder Ottfried Fischer heuer Satiriker aus Deutschland in der Überzahl sind, baten die SN Werner Koczwara zum Interview über deutschen Humor zwischen substanzieller Satire und schnellen Gags und über den Mut zur Provokation.

Dem deutschen Humor der vergangenen 30 Jahre attestieren Sie in Ihrem neuen Programm zwei große Tiefschläge: den Tod Heinz Erhardts und die Geburt von Oliver Pocher. Wie steht es um das Lachniveau im Zeitalter der TV-Comedians? Koczwara: Seitdem Humorzwerg Mario Barth die deutschen Fußballstadien füllt, mache ich mir ernsthaft Sorgen. Vor allem um das Niveau des deutschen Fußballs. Kann man den Besuchern eines Fußballstadions mittlerweile wirklich selbst das allertiefste Niveau anbieten?Was zeichnet guten deutschen Humor aus? Was macht schlechten Humor so schlecht? Koczwara: Der witzigste Deutsche war bis zu seinem Tod ein Amerikaner, nämlich Billy Wilder. Und der war Österreicher. Dies zeigt: Der deutsche Humor ist schwierig einzuordnen. Bei der Einteilung in guten und schlechten Humor folgt der deutsche Kabarettist daher folgender Devise: Wenn viel gelacht wird, ist es guter Humor. Wenn nicht gelacht wird, ist das Publikum doof. Beobachten Sie die Comedy-Landschaft im deutschsprachigen TV? Koczwara: Nein, nicht mehr. Ich hab ein paar Mal in "Quatsch Comedy Club" und vergleichbare TV-Humorabszesse reingeschaut. Für mich ist das reine Zeitverschwendung.

Als Gagautor haben Sie selbst auch für Dieter Hallervorden und für die "Harald Schmidt Show" Pointen geschrieben. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Koczwara: Unterm Strich gar keine schlechten. Ob für Hallervorden oder Schmidt, man lernt sein Handwerk. Für Harald Schmidt zu schreiben, hat großen Spaß gemacht. Aber auch bei Hallervorden, wo ich Chefautor war für große Samstagshows wie "Verstehen Sie Spaß?", war der Erfahrungswert enorm. Und zwar dahingehend: Ein Beitrag für ein Millionenpublikum gebiert nicht annährend so viel Resonanz wie ein Kabarettabend vor 200 Zuschauern. Schließen sich schneller Gag und substanzieller Humor aus? Koczwara: Jein! Noch schneller ging's nicht.

In Comedy-Shows ist oft Seichtheit Trumpf. Mit einem Ihrer ersten Beiträge zu Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer" haben Sie hingegen 1986 sofort erreicht, dass der Bayerische Rundfunk sich von dem Format distanzierte. Hat Satire heute noch die gleiche Macht zur Provokation? Koczwara: Es traut sich ja keiner! Heute gilt es als Provokation, wenn Schmidt und Pocher ein "Nazometer" ausprobieren. Dabei ist dergleichen nur Kuschelsatire für den Kindergeburtstag. Wahrlich provokant wäre es, pointenreich und dadurch sympathisch den Papst gut zu finden oder Atomkraftwerke. Aber das traut sich niemand, weil: Das zieht sozialdemokratische Selbstmordattentäter an. Würden Sie die Kabarettbühne gegen ein TV-Format tauschen wollen? Koczwara: Auf keinen Fall. Ich tausche ja auch keinen 100-Euro-Schein gegen einen falschen Fuffziger. Auch Ihr Programm "Wenn die Keuschheit im Bordell verpufft" hat Ihnen Bombendrohungen eingebracht. Was soll Satire erreichen? Wo sehen Sie die größte Stärke des Kabaretts? Koczwara: Dieses Programm wurde in seiner Sprengkraft von einigen Bischöfen überschätzt. Ich bin damals gegen den Katholizismus mit feinem Florett angetreten und wurde behandelt wie jemand, der mit der Kettensäge vor dem Altar steht. Aber zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die größte Stärke des Kabaretts liegt in einer rhetorischen Überlegenheit des Kabarettisten gegenüber der Politik. Der Kabarettist steht spät und ausgeruht auf und hat den ganzen Tag Zeit zum Nachdenken. Und das ist zweischneidig. Für einen ehrlichen Satz bekommt der Kabarettist Zulauf, der Politiker wird für so etwas abgewählt.

Ein Resümee Ihres neuen Programmes lautete bereits vor der Wirtschaftskrise: "Wer den Kopf in den Sand steckt, muss mit dem Hintern atmen." Wie lautet Ihre aktuelle Zukunftsprognose? Koczwara: Bislang sind fast alle Zukunftsprognosen erbärmlich gescheitert. Die Zukunft macht, was sie will. Zum Beispiel Arnold Schwarzenegger. Vom Bodybuilder zum Terminator und zum Gouverneur. Hätte man das vor 30 Jahren prognostiziert, wäre jede Wahrsagekugel vor Lachen explodiert! Prognosen hauen fast immer daneben. Auf der sicheren Seite ist man da nur mit Karl Valentin: "Früher war die Zukunft besser."Das Kabarett-Festival MotzArt beginnt morgen, Freitag, in der ARGEkultur.

© Clemens Panagl, Salzburger Nachrichten

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