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Kritik • 06.02.2009 • Christiane Keckeis, DrehPunktKultur

Stimmwunder im Gefühlskarussel

Deutsche Kleinkunstpreis 2008, Salzburger Stier: die Preise purzelten im vergangenen Jahr für Annamateur und Außensaiter. Musikalische Kleinkunst vom Feinsten am Donnerstag (5.2.) in der ARGEkultur.

Entsprechend hochgespannt sind also die Erwartungen: und dann tritt sie auf, barock mit Wuschelmähne, mit parathymem Understatement, zwei Musiker im Schlepptau. Sie beginnt mit Dehnübungen, mit einem Gesicht wie die gelangweilte Verkäuferin an der Käsetheke, etwas steif, so mag der unbedarfte Zuschauer denken, aber nein, das gehört schon zum Spiel, zum Spiel mit dem Publikum, das sie den ganzen Abend ebenso durchzieht wie das Spiel mit den beiden Kollegen an Cello und Gitarre, die als "Akustikautisten" mit (weitgehend) ungerührten Mienen die bösen Kommentare der starken Frau in der Mitte an sich vorüberziehen lassen.

Im Spiel "Ernsthaft ernst" müssen die beiden Meister sein. Meisterhaft beherrschen sie auch ihre Instrumente: Stephan Braun entlockt seinem Cello eine Bandbreite von Klängen, die jeden E-Bass ins Staunen versetzen muss, und seine schnellen Finger in jazzigen Kaskaden beeindrucken ebenso wie die von Daniel Wirtz an der Gitarre, der seinerseits von Herzschmerz bis Rock alles lebendig werden lässt.

Gute Musik ist eines der Rezepte des Programms, man hört gern zu, ganz gleich ob jazzig, lateinamerikanisch oder zum Sterben traurig im Blues. Da steckt Herzblut drin. Bei aller distanzierenden Komik.

Wenn Anna Maria Scholz alias Annamateur zu singen beginnt, beginnt auch das große Staunen beim Publikum: Was kann diese Frau alles mit ihrer Stimme machen! Assoziationen kommen: Milva, Mercedes Sosa, Billie Holliday: rau erotisch, rockig, groovig, mit fast schwarzem Blues, selbst operettige Klänge oder Saxophonimitationen tönen souverän, die Wandlungsfähigkeit verblüfft und wird auch mit diesem Ziel bewusst eingesetzt: ihre Songs spielen mit den stilistischen Brüchen wie sie selbst mit ihren Möglichkeiten. Köstlich eine Mini-Barock-Oper samt Verzierungen und Rezitativ, die sie kurzerhand zwischen lateinamerikanische Rhythmen einbaut.

Das Publikum, "lauter Schicksale; die sich in die Vorstellung gedrängt haben, um sich von ihrem armseligen Leben abzulenken", wie Annamateur mitleidig argwöhnt, unterhält sich prächtig über die Varianten von Beziehungsknatsch, die den Abend durchziehen. Aber durchaus auch Nachdenklich-Zeitkritisches lässt das Trio dosiert ins Programm tröpfeln. Dann schimmert auch mal der Mut zum Bösartigen durch, zur Grenzüberschreitung, zum Hässlichen - was bei soviel Genuss direkt wohltuend wirkt. Da wird das Chatten ins Visier genommen, die Tendenz, auch noch so Unwichtiges oder Persönliches per Video und Internet der ganzen Welt zugänglich zu machen. Massenhysterie im Showbusiness, "Wollt ihr die totale Unterhaltung?": Das ist dann auch mal zum Gänsehautkriegen.

Gänsehaut auch bei der gänzlich unironischen Zugabe, "Ich hab Dich zuviel lieb", ein jiddischer Tango, mit dem die drei Musiker den musikalisch-theatralischen Abend beschließen. Und weil Frau das letzte Wort haben muss, gibt Annamateur uns noch ein Extra auf den Weg: "Nutella is no good for your body!" "But good for my soul!" That's Blues.

© Christiane Keckeis, DrehPunktKultur

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