Vivisector
Performance von Chris Haring und Klaus Obermaier
ARGE medienkunst
bone machines
Die Performance D.A.V.E. thematisiert die künftig mögliche Entgrenzung
des Körpers. Personifizert durch den Performer, wird dessen Körper zugleich
Bühne und Vermittler einer Utopie, die besagt, dass man dank zukünftiger
Technologien und Implantate in der Lage sein wird, die Begrenzungen des natürlichen
Körpers aufzuheben. Eine Vielfalt von Erlebnissen wird möglich sein:
Ein Mann kann spüren, wie es ist, eine Frau zu sein, und umgekehrt. Auch
gibt es keinen Grund, warum eine Person bei der Realisierung ihrer allein geträumten
Fantasien nicht Mann und Frau zugleich sein sollte. Der Körper wird längst
nicht mehr nur durch den Alterungsprozess verändert, die ungeahnten Möglichkeiten
der Eingriffe erklären ihn selbst zum „Sensationsobjekt“.
Transplantationstechnik, prothetische Chirurgie, mikrophysikalische Stimulation
des menschlichen Körpers: Die Technologien werden nicht mehr zu anderen Planeten
geschickt, sondern beginnen die Invasion des Menschen selbst, der durch nichts
mehr wirklich geschützt wird, weder durch die Ethik noch durch die biopolitische
Moral.
Paul Virilio
D.A.V.E. switcht mühelos zwischen jung – alt – männlich – weiblich,
er verformt seinen Körper, seine Gliedmaßen. Sein After spricht mit
der Stimme eines Kindes tiefgründige wie ironische Bibeltexte, der Körper
löst sich auf in strömende digitale Bildwelten. D.A.V.E. thematisiert
die Manipulation und Neugestaltung des menschlichen Körpers durch Gen-, Bio-
und Computertechnologie. D.A.V.E. spielt mit realen und virtuellen Situationen
und der Auflösung der Grenze zwischen diesen beiden Zuständen, morpht
zwischen Alptraum, Erlösung und Verwandlung bis zur Auflösung des Körperlichen.
Neuartig an D.A.V.E. ist die Konzentration der Projektionen auf den bewegten Körper
unter Vermeidung herkömmlicher Raum- bzw. Screenprojektionen. Man denkt nicht
mehr an das Video, es gehört einfach zum Körper dazu. Es ist Teil des
Körpers bzw. der Performer ist Teil des Videos. Die Grenzen verschwimmen
und werden aufgehoben.
Videoprojektion, körperliche Präsenz und akustisches Umfeld verschmelzen
so zu einer Symbiose und kreieren eine eigene, neue Wirklichkeit: D.A.V.E. – digital
amplified video engine.
… und wer kann erkennen, was für den Menschen besser ist in seinem
Leben, während der wenigen Tage seines Lebens voll Windhauch, die er wie
ein Schatten verbringt.
Das Buch Kohelet, Altes Testament
D.A.V.E. basiert auf einer Idee des Medienkünstlers und Komponisten Klaus
Obermaier und wurde gemeinsam mit dem Choreographen und Tänzer Chris Haring
entwickelt.
Letzten Endes existiert die Realität nur als Lichtprojektion. Wir sind Wegstrecken
des Lichts. Die gesamte Technik ist ein später Sonnenkult.
Paul Virilio der Tänzer ändert seine Hautfarbe.
Körper vervielfältigen sich, lösen sich auf und mutieren zu negativer
Materie.
reale Metamorphosen :// unmenschlicher Geschwindigkeitsterror :// virtuelle Transformation
der Materie :// Entmaterialisierung des Körpers
VIVISECTOR bricht die Linearität der Bewegung und zeigt damit die Absurdität
des Moments.
Wie weit beeinflusst die Bewegungsqualität der virtuellen Welt reale menschliche
Bewegungsabläufe?
Wird die reale Welt im 21.Jahrhundert durch Nanotechnik Eigenschaften der virtuellen
Welt annehmen?
Gibt es noch nennenswerte Unterschiede zwischen einem Körper aus synthetischen
Materialien mit künstlicher Wärme
und der tiefen Glut von Billionen lebender Zellen?
VIVISECTOR erforscht und überwindet körperliche Grenzen durch videotechnische
Erweiterung und betrachtet dadurch Gestik, Dynamik, Geschwindigkeit und körperliche
Präsenz unter neuen choreographischen Aspekten:
- Auflösung/Granulation und zeitliche Neuordnung von Bewegungsabläufen
- simultanes Erleben virtueller und realer Situationen
- Aufhebung der körperlichen Statik
- Infragestellung der individuellen Existenz durch virtuelle Verknüpfung genetischen Materials verschiedenen Ursprungs
- Dekonstruktion des Körpers
- Videotechnische Eingriffe in organische Strukturen
- Virtuelle Geschmeidigkeit als Destillat körperlicher Durchlässigkeit
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