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SIE KRIECHEN AM BODEN, ROLLEN UND ROBBEN
Von Menschen, Tieren und anderen Kreaturen

Melting-Point

Franziska Krug

Wenn ich flüstere, hört man mich dann? Ich denke doch, normal funktioniert das Diktiergerät am Smartphone gut, sehr gut eigentlich für solche Zwecke. So.

Unten links ein Rauschen, das ein Flugzeug, eine sich öffnende grobe Welle ist. Hinten links, eine Fläche auf halb Acht, nach Sieben eher. Gespiegelt dazu die große Fläche. Ständiges Grillenzirpen verkörpert Kontinuität. Stoppt wahrscheinlich nie: Zu beachten!
Hinten rechts der Kauz. Der Kauz hat sich bereits beim Raufgehen, bevor die Fledermaus geflogen kam, akustisch zu verstehen gegeben. Die Grillen, der Kauz, das Rauschen, der Bach rechts am Rand, der nach unten kullert. Richtung Mitte fliegt ein leichtes Klingeln in die Höhe. Dahinter, noch weiter Richtung Mitte, schlüpft wieder ein zartes Klingeln. Ein Klingeln hallt aus der Dunkelheit ins Sternefunkeln. 
Der Kauz macht tututu tututu. Ein Fft, das kommt von unten rechts. Ein Rauschen rauscht unten links. Ein ständiges Rauschen, als ob eine Welle auf uns zukommt.
Es gibt hier keine Zecken und wenn, dann sind es die klitzekleinen. Die haben doch nicht diesen ganzen Viruskram in sich. Halbwegs bequeme Position einnehmen. Halbwegs Halt auf dem Hang finden. Mich zwickt es überall. Morgen früh werden die Zecken schön in mir stecken, an den warmen Stellen verteilt. Mir fällt das Liegen total schwer auf dem Hang. Ich glaube, draußen wäre es bequemer: Auf der Liegewiese liegen statt mitten in einem Busch. Der sieht von innen zwar malerisch aus, aber einen Grund muss es haben, warum die Hundebesitzer*innen ihre Hunde dort hinein lassen. Highclass-Urlaub ist etwas anderes – dort stimmt nur die Geräuschkulisse nicht.
Wahrnehmbar sind das Licht des zunehmenden Mondes und im Pulstakt ein bisschen die Grillen und die Schatten des bisschen rauschenden Busches über dem Himmel. Wenn Schatten rauschen, bringen sie im Rauschen Schatten            mit            sich.

Der Himmel vermengt sich mit den Sternen, sie finden Fuß in Ästen. Die Geradlinigkeit darin zeigt an, dass etwas vorhanden ist. Etwas, das so etwas wie ein Mensch, ein Mann oder eine Frau oder irgendjemand ist, der sich einer Zivilisation oder einem Gerät von dort zugehörig fühlt. Es gibt hier keine Zecken. Es gibt hier keine Zecken. Das herkömmliche Rauschen wird überlagert von einem Rauschen, das näher kommt. Es gibt hier keine Zecken. Es gibt hier keine Zecken. Es gibt hier keine Zecken. 

Die Grillen Rt rt rt. Rt rt rt rt. Tritt rt. Ritt trt. Ritt rt. Rt trett tritt, trete ein Auto und das könnte auch irgendwo ein Traktor sein, oder nur das Geräusch von basslastiger Musik im Radio. Der Kauz. Ein schnelles Auto in der Kurve weit, weit weg, so weit wie die LKWs in der Nacht auf der Autobahn. Der Kauz tut uttututu tutuu. Die Grillen trtt ritt tritt trututututu tritt tritt. Die Verdrängung des Tierreiches durch den Menschen. Tritt. Tritt. Tritt. Das Rauschen des Baches, weil die Bachflüssigkeit den Felshang umspielt und dieses Klingeln noch dazu. Hinten links ein Flugzeug, das Kreise zieht in der Luft. Es kommt der Kauz. Der Kauz, der macht. Die Grillen, die machen. Das Flugzeug kreist Kreise und daraus wachsen Wellen wie die Schwärze des Himmels.
Ein Klingeln oder Turmglocken, lilill lillelee lille. Einfach vielfach.
Tagesgedanken erinnern mich. Kratze mich am Ohr, streichle mein Gesicht. Wechsle sehr wahrscheinlich noch einmal die Position und mache einen Zecken-Check. Dauernd innere Dämonen bekämpfen. Am Himmel die Äste sehen. Tutu. Tutu. Rät rät rät rat. Rät rät rät rat. Oben auf liegt ein Herz und das Fleisch verschluckt das Höschen. Zecken-Check mit Taschenlampe.

Links ein Summen an der Außenseite des Zeltes. Erst nervöses Flattern, dann Stille. Die Grillen zirpen. Oben in der Mitte des Himmels ein klirrender Vogel, ein Moped und zwischendrin eine flitzende Fledermaus. Atmen. Atmen. Atmen. Atmen. Das Fliegensummen verlagert sich nach unten. Die tastet die Fläche ab nach etwas Spannenderem als einer glatten Oberfläche. Kauz macht. Bin müde. Das Rauschen wird größer. Die Nacht rieselt. Das Klirren wie auf einer Alm und das Summen der Fliege am Zeltrand. Das Klicken von Fahrradgängen entlang des Weges. Unten rechts ein Knacken, links das Summen der Fliege. Links im Nacken etwas, das könnte eine Zecke sein. Alles könnte jetzt eine Zecke sein. Das Summen der Fliege wird wahrscheinlich nicht mehr aufhören (denkste). Die Grillen und der Kauz und der Bach. Echt müde. Die Grillen und der rauschende Bach. Die Welle, die auf uns zukommt und trotzdem in der Ferne bleibt, unten links, die sich überlagert mit anderen Wellen. Ich sehe lauter Häschen, lauter weiße Häschen. Eins davon unten rechts sieht mich an. Menschen, die da lang gehen. Nochmal Zecken checken und einen Schluck trinken, soll ich kurz Pause machen und dann dokumentiere ichs vor dem Einschlafen? Ist, glaube ich, ganz geil.

Früher haben wir Freundinnen uns so lange im Zelt unterhalten, bis wir eingeschlafen sind. Das war so ein Zwischenzustand. Der Kauz. Der Kauz, das Rauschen des Baches und der dauernd lauernde Hubschrauber unten links, das Rauschen, das in der Ferne bleibt, obwohl es Bewegung suggeriert. Ein kleineres Gefährt legt seine Spur darüber. Rütütütüü. Fällt ein kleiner Stock auf das Zeltdach. Was war das jetzt wieder. Ein Zug. Der schneidet zwei breite Bahnen in die Nachtkulisse. Die Grillen sind still geworden. Ein Hund bellt. Ein Mal. Der Bach. Irgendwo fährt ein Moped. Die Grillen sind weiter weg jetzt. Ein Motorrad kommt näher, lauter, leise, lauter, leise. Rascheln. Die Grillen schwingen kürzer, es werden weniger. Die Grillen sind tatsächlich die ersten, die pausieren! Der Kauz lässt kleine Pausen zwischen tututu und turu. Tuturu. Turutu und rechts neben, unter ihm der Bach, der fließt rsch reschlresch resch reschlresch. „Knisp!“ eine essende Zwergmaus begleitet mich in die Nachtruhe.