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Presse | Christine Spies, DrehPunktKultur, 8.2.2007

"Kreative Ehrlichkeit"

"Heute bin ich mal ehrlich". I Stangl spürte am Mittwoch (7.2.) schon beim Betreten des ARGEkultur-Saals die "intellektuelle Chemie", die ihn dazu veranlasste, mal ehrlich über die anderen zu reden - über die Blödmänner.

Da es jetzt schon überall Raucherzonen gibt, kann er es nicht verstehen, dass man nicht auch Blödenzonen markiert. Dort könnten sich alle die Dummschwätzer versammeln und es könnten sich dort auch die Paare kennen lernen, die ihre gemeinsame Wellenlänge mit der gemeinsamen Hirnlosigkeit verwechseln. Genauso wie die vielen Handydioten, die im Cafehaus über den Tisch hinweg miteinander telefonieren. Früher hat Stangl einen kleinen Schluckauf verspürt, wenn jemand an ihn dachte. Heute bekommt er direkt eine SMS. Um bei der Analogie mit den Rauchern zu bleiben würde er am liebsten auch den Skifahrern ein Warnhinweisschild auf den Arm kleben: "Diese Windsau könnte ihr Leben gefährden."

Obwohl Stangl vor allem heute ehrlich sein will, muss er sich trotzdem eingestehen, dass eine Welt ohne Lüge nicht funktionieren könnte. "Es gibt ja diese wissenschaftliche Unterscheidung zwischen der ehrlichen und der kreativen Ehrlichkeit." Es ist eine Überlebensstrategie auch mal zu lügen. So wie die vielen Strategen der Politik und der Medien. Wie will man auch sonst einem Bundeskanzler Reformen zutrauen, wenn dieser in Ybbs vor einer Staumauer aufgewachsen ist? Einem Ort übrigens, um den schon die Vokale einen großen Bogen gemacht haben. Glücklich können die Menschen in diesem Staat endlich über die echten Herausforderungen sein. Als überversorgter Student hatte man früher in der Sozialstaatdiktatur keine Möglichkeit die eigenen Kräfte an einer Herausforderung zu messen. Heute arbeiten die Uniabsolventen unversichert ihre 80 Stunden Woche - "Ja, da spürst dich wieder."

Dass I Stangl seine Karriere als Grabredner begonnen hat, erklärt seinen boshaften Humor. Auch wenn er schnell merkte, dass man vorm Grabstein nicht lustig sein kann und er daher den Friedhof mit der Bühne tauschte. Mit seiner typischen Clownsfrisur narrt er die Welt höchst unterhaltsam und bissig. An diesem Abend war er so froh, endlich mal ehrlich sein zu können. Daher macht er vor keinem halt, der ihm in seine gnadenlosen Schusslinie gerät. Lustvoll rechnet er mit der Politik, den Medien und dem sonst noch anhängenden Wahnsinn ab. Dabei überzeugt er auch immer wieder durch seine gelungenen Imitationen.

Sein Programm "Wer kriecht stolpert nicht" soll natürlich nur die kriechenden Blöden bezeichnen. Schließlich kriecht der im "gesellschaftlichen Saft stehende Leistungsträger" nicht. Bei ihm handelt es sich um eine "bodengebundene Vorwärtsstrategie".

© Christine Spies, DrehPunktKultur