20.07.-05.08.2011
Kaum zu glauben? Die Zeit hat ein Verhältnis. Das Taschenopernfestival präsentiert sieben Uraufführungen, in denen jeweils nach exakt zwölf Minuten der Vorhang fällt. Genau zur Mitte schlägt in jedem Stück der Blitz ein. Durch alle sieben Taschenopern, die in unmittelbarer Folge an einem Abend zu erleben sind, zieht sich außerdem derselbe Leitsatz: "Der Engel des Herrn verkündete Maria." Der berühmte Beginn also des Angelusgebets, das gemäß mittelalterlicher Kirchentradition zur Mittagsstunde und morgens und abends um sechs, begleitet vom Läuten der Glocken, gesprochen wird.
Was auf diesen Anfang folgt - Akzeptanz der engelhaften Ankündigung von Seiten Marias, Empfängnis durch den heiligen Geist, ein Gottessohn für die Menschheit - ist in siebenfacher Auslegung Thema der Taschenopern 2011. Die Interpretationen fallen trotz strenger formaler Augsangssituation vollkommen unterschiedlich aus. Was sind denn zwölf Minuten, die durch eine elektronisch exakt getrimmte Sanduhr laufen? Gefühlt, komponiert, gespielt, gehört, gesehen? Vom Glauben oder Zweifeln in dieser unbefleckten Angelegenheit ganz zu schweigen.
Jungfrauenstatus erledigt. Da schunkelt ein ganzes männergefülltes Stadion mit. Leider hat der Herr der Schöpfung tatsächlich andere, eigennützige Ambitionen. Ein Kindesvater, der als einmalige Erscheinung vom fernen Horizont im heimatlichen Hafen auftaucht - und das nicht nur einmal. Die ungefragte Mutter, die nicht wusste, wie ihr geschehen soll und dann von der unbarmherzig rechtsstaatlichen Realität eingeholt wird. Eine Maria, von geflügelten Außerirdischen bedrängt ...
Was sich im künstlerischen Koordinatensystem zwischen Zeit und Glauben als musiktheatralische Wirklichkeit der sieben Uraufführungen sehen lässt, zeigt lustvoll und hintersinnig die Bandbreite dessen, was die Kunstform "Oper" heute sein kann.
Wieder fungieren Klang21 und die ARGEkultur als AuftraggeberInnen für zeitgenössisches Musiktheater. Das oesterreichische ensemble für neue musik, das oenm, ist bereits zum zweiten Mal hochkarätiger musikalischer Partner des Festivals. Und wie stets entstanden die Taschenopern für 2011 vom ersten Takt, vom ersten Wort und ersten Bild an in enger, interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Komponistinnen und Komponisten, Autorinnen und Regisseuren aus Europa. In einer Werkstatt an den Schnittstellen von Gesang, Wort und Szene.
Michael Beil (D) / Thierry Bruehl (D/F)
Lisa Streich (SE) / Thierry Bruehl (D/F)
Hans-Peter Jahn (D)
Brigitta Muntendorf (D) / Thierry Bruehl (D/F)
Reinhold Schinwald (A) / Sophie Reyer (A) / Ernst M. Binder (A)
Silvia Rosani (I) / Reinhold Lay (D)
Hüseyin Evirgen (TR/D) / Thierry Bruehl (D/F)
Reminiszenz - Reflexionen auf das Taschenopernfestival Salzburg 2011 © Jürgen Palmer
Trailer
Vorstellung der Komponisten und Komponistinnen mit YouTube-Videos unter www.klang21.com
Beitrag und Interview mit Thierry Bruehl und Markus Grüner MP3-Stream [60 min].